Habe ich irgendeine Ahnung? Schön wär‘s. Ich bin im Juristendeutsch verloren, ich brauche Übersetzer, Menschen, die mir die Feinheiten erklären. Aber nicht mit weiteren abstrakten Abhandlungen. Ich brauche Beispiele. Wir brauchen Recht nicht theoretisch sondern für unser alltägliches Zusammenleben.
Was mir fehlt, habe ich wieder einmal durch die USA gelernt. Denn wenn immer ich dort etwas höre, schaue ich auch nach vergleichbaren Einrichtungen in Österreich.
Nachdem ich in den USA gehört hatte, dass der eine oder andere Generalstaatsanwalt, kürzlich in Arizona, Kris Mayes, Attorney General, Anklage gegen die Fake-Wahlmänner erhoben hat, fragte ich mich, mit was man diese Funktion in Österreich vergleichen kann.
Gar nicht.
Wir haben so etwas nicht. Und die Vorstellung, dass ein Generalstaatsanwalt gar noch alle 4 Jahre gewählt werden würde, wäre noch seltsamer für uns. Dass sie gar einer Partei zugehörig wären, noch seltsamer. Und doch, hat es was, denn während der republikanischen Generalstaatsanwalt keine Klage gegen diesen versuchten Wahlbetrug einbrachte, hat Mayes, Demokratin, nun Anklage erhoben.
Aber um noch eine gewaltigen Unterschied hervorzuheben, es gibt einen Grand Jury, eine große Jury, groß, weil sie meist aus vielen Mitgliedern besteht. Vor ihr muss die Staatsanwaltschaft präsentieren, ob ihr Anfangsverdacht groß genug ist, um zu einem Gerichtsverfahren zu führen. Es war nicht die Staatsanwaltschaft von New York alleine, die zur Anklage von Donald Trump führte, sondern die Grand Jury hat sich monatelang – von der Öffentlichkeit verborgen – die Argumente der Staatsanwaltschaft angehört, bevor sie eine Anklage empfohlen hatten. Wenn man das weiß, wird das Argument Trumps, dass Biden nur irgendetwas mit der Anklage zu tun hat, absolut lächerlich. Nicht nur, dass es sich hier um eine Anklage eines Bundesstaates handelt, es war auch eine Grand Jury, die dies befürwortete.
Hier wird vielleicht klar, warum ich anhand eines anderen Landes Ideen für Österreich sammle. Denn ohne USA wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, über einen Generalstaatsanwalt oder Bundesstaatsanwalt zu recherchieren, um festzustellen, dass es wieder einmal Zeit ist, sich zu schämen.
Wir leben tatsächlich in einer Operettenrepublik, denn anscheinend kommen wir ohne EU gar nicht auf Idee, dass wir eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft oder Generalanwaltschaft brauchen, die frei von politischer Beeinflussung ihre wichtige Funktion ausübt. Und um diesen Status zu betonen, habe ich keinen aktuellen Artikel gefunden, denn wir warten bis die EU uns wieder daran erinnert, dass wir keine Bundesanwaltschaft haben, wie im Kurier 2023: Justiz: EU-Kommission übt Kritik an Österreich.
Jedoch anderes als kurze Notizen zu dieser Kritik finde ich nicht. Ich bin also wieder an jedem Punkt angelangt, zu bedauern, in einem kleinen Land und dementsprechend kleiner Medienlandschaft zu leben.
Also lese ich jetzt den Endbericht 2022 zur Schaffung einer Bundesanwaltschaft, denn aktuelleres fand ich nicht.
Aber was soll‘s, die letze Strafrechtsreform in Österreich ist gute 50 Jahre her, 1974 beschlossen, am 1.1.1975 in Kraft getreten. Ein wichtiger Teil war die Fristenlösung, bei der kleinen Reform 1971 wurde Homosexualität entkriminalsiert (die Fristenlösung ist immer noch im Strafgesetzbuch!)
Das Ziel einer unabhängigen Bundesanwaltschaft oder Generalanwaltschaft ist, das Weisungsrecht der Bundesministerin bzw. des Bundesministers für Justiz auszulagern, weil es – trotz Einrichtung des unabhängigen Weisungsrats, dessen Empfehlungen jedoch nicht bindend sind – zum Anschein einer politischen Einflussnahme beiträgt.
Ich wäre froh, wenn ich juristische Diskussionen darüber lesen, lieber hören, könnte, statt mich durch den Endbericht zu quälen. Ich mag Experten, die mir auf Laiendeutsch das noch einmal näher bringen.
Denn ich wäre durchaus für eine Befristung, aber das für und wider wird hier nicht angeführt, nur dass die Mehrheit für eine unbefristete Bestellung sind. Auch was sie unter Verschärfung des Dienstrechts, das ja nicht nur im Justizministerium gelten soll, verstehen, wird nicht weiter erörtert. Darüber sollte angesichts des Falls zu Egisto Ott eigentlich nicht mehr diskutiert werden müssen.
Wie nett, dass die Arbeitsgruppe die Notwendigkeit einer Verbesserung der Medienarbeit sieht. Also genau das, was ich hier bekrittle, es gibt einfach wenig. Ich wünsche mir aber auch Juristen als Journalisten, die mir das übersetzen, was so trocken präsentiert wird. Allein, dass es keine Diskussion über diesen Endbericht gibt, finde ich verwunderlich.
Die Möglichkeit viele unterschiedliche Erklärungen, Artikel, Podcasts zu vergleichbaren Themen zu hören, zu lesen, geht mir ab. Ich habe Zeit und Muse, mir Informationen zusammenzusuchen, die mich interessieren, aber im alltäglichen Nachrichtenfluss verloren gehen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als einiges einfach wiederholt zu lesen oder hören.
Klar wurde mir das wieder einmal, als ich lesen musste, dass der letzte Spionageskandal Österreichs politisch keine Auswirkungen hat, weil Menschen anscheinend zu wenig wissen bzw. es zu kompliziert ist.
Ich kann hier nur wieder einmal auf meinen Lieblingspodcast hinweisen. Inside Austria
Ps. Ich habe mir nun die Leserbriefe in Kurier und Standard zu dem Bericht der EU durchgelesen und bin erschüttert, wie mangelhaft das Verständnis zur Justiz und ihren Mechanismen in Österreich ist. Denn genau das möchte der Bericht, eine Verbesserung der Justiz. Es reicht nicht, auf Versäumnisse und Desavouierung der Justiz in Ungarn oder Polen (durch die vorletzte Regierung, die jetzt wieder repariert wird) hinzuweisen, eigene Fehler soll man auch sehen. Oder positiver formuliert, es gibt immer Wachstum zu mehr Gerechtigkeit.