Manche Menschen machen das zu ihrem Programm und viele von denen denken, dass alle anderen auch so ticken. Das tun sie nicht.
Ich habe erst angefangen, taktisch zu denken, als man mir schon ein Messer reingerammt hat. So zu denken, mag ich nicht, vorsätzlich mache ich es erst recht nicht, selbst aus der Defensive heraus, führte es bei mir zu schweren Magenschmerzen. Ich bin echt untalentiert, wenn es darum geht hinterfotzig zu sein.
155.940 Euro haben wir Steuerzahler geblecht, um jemanden mit folgendem Profil zum Bundeskanzler zu machen.
Eigentlich habe ich nur an hinterfotzig gedacht, dann ist mir Sebastian Kurz eingefallen, dann habe ich gegoogelt und bin auf die im Auftrag und auf Rechnung des Finanzministeriums (unter der Anleitung des einstigen BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid) angefertigte Studie gestoßen. Ich hatte das nicht im Auge. Ich war überrascht und auch nicht, brachte ich dieses einfache Wörtchen „hinterfotzig“ ja selbst mit ihm in Verbindung.
Der einzige Trost ist, dass es unter anderem diese Studie war, den „hinterfotzigen und über Leichen gehenden“ Bundeskanzler zum Rücktritt zu bringen.
Immer wieder höre ich wie man mit Entsetzen über amerikanische Zustände berichtet, was mich noch viel mehr erschüttert, ist, wie oft ich an österreichische Parallelen denke, oder wie naiv wir sind.
Wenn wir einen „Master of the Universe“ wählen, aber über die Wahl von Donald Trump lachen. Hübscher und jünger, aber sonst?
Er hatte kürzlich einen Notartermin (was sagt es über mich, dass ich Notarzttermin gelesen habe), um sein Firmenkonstrukt neu aufzusetzen. Zugleich hört und liest man derzeit über das komplizierte Konstrukt von René Benko oder dem Wirecard-Skandal (oder mehr von Jan Marsalek) und deren Verbindungen in die Politik und vielleicht auch in die Welt der Spionage.
Genau in diesem Moment musste ich daran denken, was ist, wenn nicht nur Marsalek , der in Russland untertauchte und von dort aus immer noch Agenten (auch österreichische) dirigierte, sondern auch Benko Verbindungen nach Russland hat. Heutzutage ist es einfach, kurz gegoogelt und Russisches Geld für Signa war gefunden.
Sind wir in Europa wirklich so naiv? Können wir eins und eins nicht zusammenzählen? Glauben wir wirklich, der Krieg beginnt erst, wenn Bomben fallen?
Die nächsten Tage werde ich mir den Beitrag mit vielen Links zu weiteren Beiträgen der Deutschen Tagesschau „Der Krieg in den Netzen“ zu Gemüte führen.
Heute habe ich nur frei assoziiert und zuletzt musste ich daran denken, dass Robert Mueller als Special Counsel „Russian interference in the 2016 United States elections“ eine weitreichende und systematische („sweeping and systematic“) Einmischung in die Wahlen 2016 belegte, die zur Präsidentschaft von Donald Trump führte.
Endlich habe ich einmal die Möglichkeit in Österreich Medien zu vergleichen, denn das Hauptthema der vergangenen Tage ist Österreichs Spionageaffäre. Ich höre mich durch mir bekannte und unbekannte Podcasts und lerne.
“Das sieht man zum Beispiel bei der BVT-Razzia. Ich glaube, da hat zum Beispiel die WKStA nicht ganz den Überblick gehabt, was sie mit so einer Razzia international und national auslösen kann.”
Plötzlich fällt dieser kleine Nebensatz und ich denke mir, stimmt das so? Ich selbst habe meine eigenen Gedanken und auch Vorbehalte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, aber der Skandal dieser Razzia ist nicht alleine auf deren Mist gewachsen. Der Eindruck jedoch durch diesen nur beiläufig genannten Satz ist, dass diese Einheit selbst entweder korrupt oder schlicht unfähig ist.
Das stört mich und ich beginne zu graben. Denn ich habe das ein wenig anders in Erinnerung. Ich gestehe, ich bin kein Fan von zu vielen Details, ich will einen groben Überblick gewinnen und der war, als dieses Drama begann, nicht möglich. Zu vieles war unbekannt und wurde erst über die Jahre klarer und sichtbarer. Wenn ich mich jetzt auf dieses Spiel einlasse, lese ich da und dort und dann nochmal und wieder, und die Dämmerung der Erkenntnis beginnt. Jetzt habe ich endlich die Möglichkeit ein Bild zu sehen. Anscheinend ist die Geschichte noch immer nicht fertig, denn mein Wunsch, ein Buch darüber zu lesen, verhallt bislang ungehört im Universum. Noch ist es nicht geschrieben.
So beginnt meine kleine Recherche.
Der Satz klingt, als ob die unabhängige Staatsanwaltschaft plötzlich aus dem Nichts heraus eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchführte.
Oberflächlich gesehen ist es eine einfache, genauer betrachtet eine verdammt komplizierte Geschichte.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte eine Hausdurchsuchung nicht nur im BVT, sondern auch bei einem Spitzenbeamten des BVT angeordnet. Ein Journalrichter hatte sie in den Abendstunden abgesegnet, offenbar ohne sich näher mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, wie er später zugab, schreibt Anna Thalhammer im Profil.
Das alleine bringt mich zum Kochen. Ein Richter muss so etwas abzeichnen, damit es nicht zu einer Überschreitung von Grenzen kommt und unser Rechtssystem nicht gebeugt oder gar gebrochen wird. Er oder sie darf nicht einfach ein Hakerl drunter machen und denken, es wird schon stimmen. Dann brauchen wir keine Richter, wenn er oder sie das Hirn nicht einschaltet und seiner/ihrer Aufgabe nicht nachkommt.
Anna Thalhammer, jetzige Chefredakteurin des Profils, einst selbst im Visier der WKStA schreibt in einem für mich unglaublich neutralem Ton eine fantastische Geschichte. Sie stellt wesentliche Fragen.
„Wie konnte es sein, dass die Polizisten einfach Operationsdaten anderer Länder einsehen dürfen? Wie war es überhaupt so weit gekommen? Und ich fühlte: Das ist eine politische Intrige, nur wer steckt dahinter?“
Ex-Spionageabwehrchef Bernhard P. Seine Gedanken am Abend nach der Razzia
„Ist es Zufall, dass man ausgerechnet auf P. losging, der im BVT für Russlandspionage zuständig war? Ist es Zufall, dass in den sichergestellten Daten nach Verbindungen der FPÖ, Russland und Ukraine gesucht wurde, wie aus dem Akt hervorgeht? Wollte die damals neue, politische Führung im Innenministerium vielleicht einfach nur zu gern wissen, was der Staatsschutz weiß? Weder P. noch sein Anwalt glauben noch an Zufälle. Dafür haben sie in den vergangenen Jahren zu viel gesehen.“
Viele Fragen und noch immer gibt es nicht alle Antworten. Erst nach unzähligen Berichten beginne ich nun langsam den Rahmen zu sehen. Es fügt sich. Und es fügt sich leider so, dass ich wieder bei einem meiner Lieblingsthemen lande: der Gewaltenteilung.
Es war jene Zeit, als die ÖVP kein Problem hatte, der FPÖ, genauer Herbert Kickl, das Innenministerium zu überlassen, das von 2000 bis 2017 von ihnen gestellt wurde, jene ÖVP, die die WKStA als eine Staatsanwaltschaft in roten Händen bezeichnet, weil sie Korruption in alle Richtungen untersucht (und nicht nur in Richtung ihrer Feinde). Der parteiunabhängige Justizminister in der Regierung Kurz (2017-2019) hingegen macht den Anschein, nicht die geringste Ahnung von Politintrigen gehabt zu haben.
Am Ende saßen sogar Ermittler des Innenministeriums bei der WKStA, schrieben auf Briefpapier der Justiz und benutzten ihre Mailadressen.
Die Gewaltenteilung eines demokratischen, liberalen Rechtsstaats war dadurch bis zu einem gewissen Grad schlicht abgeschafft – und niemand interessierte sich dafür.
Gewaltenteilung dient nicht hauptsächlich der Verteilung von Macht sondern viel mehr der gegenseitigen Kontrolle. Das erst macht die Stärke einer Demokratie aus. Wird die Justiz erstmal ausgehebelt, funktioniert ein demokratisches System nicht mehr richtig. Auch unter dem Nationalsozialismus gab es Gerichte, aber unabhängige Richter nicht mehr.
Nach dem Rücktritt der Türkis-Blauen Regierung drehten die Übergangsminister Clemens Jabloner (Justiz) und Wolfgang Peschorn (Innenministerium) die selbsterrichtete Justizpolizei ab, schreibt Thalhammer weiter.
Im ihrem Artikel sind fast alle meine Bedenken zur WKStA genannt. Es ist wie ein Fluch, denn die Notwendigkeit einer solchen Staatsanwaltschaft ist für mich keine Frage, aber die in meinen Augen leider zu oft dilettantischen Anklagen schaden dem wichtigen Auftrag.
Ich habe die zwei Anklageschriften Jack Smith gelesen, in denen Donald Trump auf bundesstaatlicher Ebene angeklagt wird. Die sind verständlich klar und faktenbasiert, sie werden auch sprechende Anklageschriften genannt (das wird nicht in allen Anklagebehörden der USA so gehandhabt). Sie sind so geschrieben, dass selbst ein juristischer Trottel wie ich sie verstehen kann.
Bei den Anklagen der WKStA hatte ich immer wieder den Eindruck, als ob guter altwienerischer Basena-Tratsch Eingang in die Anklageschriften findet. Schon vor dem Prozess fragte ich mich immer wieder, kommt da noch mehr? Bei den wenigen, die ich beobachtete, kam nicht mehr. Was letztendlich zu Freisprüchen führte.
Nur zum Vergleich: in den USA werden vergleichbare Prozesse zu 95% gewonnen, denn die Bundesstaatsanwaltschaft wägt nicht nur selbst ab, ob ein Prozess gewonnen werden kann, eine Grand Jury stimmt ab, bevor es zu einer tatsächlichen Anklage kommt. Dieser werden die Fakten der Staatsanwaltschaft präsentiert, erst wenn die Grand Jury bestätigt, dass genügend Verdachtsmomente bestehen, kommt es zur Anklage.
„Currently federal prosecutors tout above a 95% conviction rate. This is primarily due to the fact that most cases never make it to trial. Most defendants end up taking a plea bargain rather then risk a potentially much greater prison sentence which could be dealt them if they actual went to trial and lost.“
in 165 Fällen weitere Ermittlungsansätze zu anhängigen Ermittlungs- bzw. Hauptverfahren
bisher in mehr als 146 Anklagen:
93 Verurteilungen
35 Diversionen
36 Freisprüche
Statistisch können diese Zahlen nicht weiter verwendet werden, denn 93+35+36 ergibt 164 nicht 165. Ich habe schlicht keine Ahnung, was die Zahlen aussagen sollen. Und leider sind die wenigen Medienberichte nicht aussagekräftiger sondern gut abgeschrieben.
Außerdem, wer weiß schon, was Diversionen sind. Und ich lerne wieder einmal. „Die Diversion ist die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, bei hinreichend geklärtem Sachverhalt auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens zu verzichten. Der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bekommt im Fall der Diversion das Angebot, sich einer belastenden Maßnahme zu unterwerfen (z.B. gemeinnützige Arbeit). Wenn ein Strafverfahren mittels Diversion beendet wird, erfolgt kein Schuldspruch und keine formelle Verurteilung. Es erfolgt auch keine Eintragung im Strafregister.“ Das ist ungefähr das, was als „Plea Bargain“ in den USA bezeichnet wird, aber ohne Eintragung ins Strafregister. So war es bei der Falschaussage von Bettina Glatz-Kremsner.
Was habe ich gelernt? Man kann der WKStA alles mögliche vorwerfen, doch waren im Falle der BVT-Razzia gewaltig politische Interessen und Manipulationen mit im Spiel. Die Vermutung vieler Journalist*innen, dass die FPÖ herausfinden wollte, was der Staatsschutz über ihre Verbindungen zu Russland weiß, erscheint mir naheliegend.
Und es tut mir leid zu sagen, dass dieser leichtfertig hingeworfene Satz eines Journalisten ist für mich untergriffig und manipulativ. Ich merke, wie sensibel ich geworden bin. Ich versuche, so wenig wie möglich und so gut ich kann, meinen und anderen Vorurteilen auf die Schliche zu kommen.
Das waren wieder mal viel Worte für eine schlichte Erkenntnis. Aber eines hat es gebracht: Dank Anna Thalhammer habe ich eine weitere Wochenzeitung abonniert.
Es ist vorbei für mich mit den mir fertig gekochten Sendungen. In einer Reihenfolge serviert, die mir in Wahrheit nie behagte, sondern hervorragend als Schlafmittel diente, weil mich gerade mal etwas nicht interessierte.
Ich wähle mir aus, was ich höre, sehe und zwar nicht in verzweifelter Suche doch einen Sender zu finden, der vielleicht etwas spielt, was ich spannend finde und in endloser Herumzipperei endete. Irgendwann ließ ich es sein. Streamen nennt man es bei Videos. Mag sein, dass andere Tanzvideos oder Musik suchen, ich schau mich um nach Politik, Archeogenetik und anderen Dingen, die ich spannend finde.
Ich höre aber auch leidenschaftlich.
Ich habe viele Podcasts abonniert, manche höre ich regelmäßig, bei anderen wähle ich nach Thema aus. Die Wissenschaftssendung des SRF, des Schweizer Rundfunks, etwa, höre ich immer gerne.
Selten gibt es aber einen Fall, bei dem ich vergleichen kann, wie die verschiedenen Medien ihre Podcasts gestalten. Egisto Ott, der österreichische „Es ist ja nicht so tragisch“ Spion, in Qualtinger Manier ein typisch österreichisches Schicksal, bietet sich wunderbar an die verschiedenen Sendungen zu vergleichen, denn der konnte von den politischen Nachrichten nicht ignoriert werden.
Vieles klingt wie vom Mittagstisch einer Zeitungsredaktion. Da tratschen zwei, die schon gestern miteinander geredet haben, sie haben ein gewisses Vorwissen und man hört vom Nebentisch aus zu. Die zweite Variante mag ich ebenso wenig, denn bei jenen entsteht bei mir der Eindruck, ein/e Lehrer*in erklärt der kleinen Ruth wie die Welt sich dreht. Früher nannte man das Oberlehrerhaft, wobei es in meiner Schulzeit schon keinen Oberlehrer mehr gab und das ist mehr als 40 Jahre her. Nicht immer ist das Format eines Gesprächs optimal.
Das ist der größte Unterschied von „Inside Austria“ zu den anderen Podcasts. Ersterer liefert immer eine gut geschnittene, äußerst informative Dokumentationen. Manche höre ich immer wieder nach, wenn die Details zu kompliziert sind, als dass ich sie mir auf einen Schwung merke.
Vielleicht ist dies der Grundton österreichischer Skandale. Es zieht sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte, und niemand hat mehr eine Ahnung, worum es überhaupt geht. Eurofighter ist ein strahlendes Beispiel. Alles, was ich weiß, ist, dass es um den Eurofighter geht, aber sonst ist da nur ein schwarzes Loch.
Es war unter anderem aber auch Anlass Abos abzuschließen, was ich noch für eine weitere österreichische Tageszeitung (Kurier) und eine Wochenzeitung (Falter) tat. Das kostet mich weniger als der ORF-Beitrag. Ich konsumiere allerdings beim ORF am wenigsten Sendungen. Ja, ich nütze oft günstige Angebote, dafür unterstütze ich mehrere Medien. Ohne die ist Demokratie nicht möglich.
Soll Medienkompetenz als Schulfach tatsächlich unsere Rettung vor blindem Glauben, was unser Bubble sagt, sein?
Die Probleme gab es immer schon.
Und Denken müssen wir schon selbst.
Da bin ich vielen schon gewaltig auf die Nerven gegangen. Etwa meine Eltern, die allein meine Fragen über ihre Kindheit in faschistischen Ländern als meine Meinung oder „Verurteilung“ interpretierten.
Oder als eine Lehrerin fragte, was wir davon hielten, dass die Friedensbewegung von der damaligen Sowjetunion unterstützt wurde. Damals als Kopien nicht einfach im nächsten Copyshop gemacht werden konnten, sondern über lausige Xerox-Maschinen auf billigem Papier stinkende Blätter abzogen, die wir nur von der Schule her kannten. Damals vor über 40 Jahren wurden professionell gedruckte Informationsfolder verteilt, die von der kommunistischen Partei Österreichs bezahlt wurden. Diesen hielt ich hoch. Woher nahm eine Partei, die es nicht in unser Parlament schaffte, das Geld für jene Propagandablätter?
Ich fragte mich, wo ich gestanden hätte, wenn ich zur Zeit des Nationalsozialismus gelebt hätte. Während manche Freunde niemals schrien, war ich mir bewusst, dass es unmöglich ist, zu sagen, wie ich in Krisensituationen reagieren würde.
So lernte ich, dass wir auch damals in unseren eigenen Blasen leben.
Meine Skepsis war geboren.
Der wahre Luxus heute ist, Zeit zu haben. Zeit, um zu recherchieren, aber auch meinen eigenen Medienkonsum zu beobachten. Was lese ich, wen lese ich, wie viele Medien besuche ich, um einzelne Fragen zu klären?
Statt aus der Geschichte zu lernen, die als ich jung war, gerade mal 40 Jahre her war, was damals unendlich lang her war und jetzt gute 80 Jahre, dachte ich mir, ich will aktuell lernen, indem ich ein anderes Land beobachte und dadurch meines besser kritisch durchleuchten kann. Es ist jetzt schon gute 10, 15 Jahre her, als ich mich fragte, wie wir heute da sind, wo wir sind. Die Wahl Donald Trump half mir, mich intensiv damit auseinanderzusetzen.