Das musste Trump gedacht haben, wenn er Geschichten und Überschriften mit den National Enquirer ab 2015 koordinierte. Ein Krawallblatt, das höchstens Kopfschütteln bei mir auslöst, weil die Geschichten so verrückt sind. Kein Wunder, dass er laufend Fake News schreit. Er glaubt vermutlich tatsächlich, dass alle so agieren und nur Idioten das nicht tun. Deshalb ist er auch so außerordentlich entrüstet, dass er angeklagt wird. Wie kann er angeklagt werden, wenn das alle so machen? Hexenjagd!
Er hat tatsächlich in Coverstories eingegriffen, er hat Lügen koordiniert, Wahrheiten begraben. David Pecker war ein jahrzehntelanger Freund. Beim National Enquirer wusste man, dass Trump am Cover die Auflage erhöhte. Mehr dazu in der Washington Post: Trump’s long, strange history with the tabloids.
Auf dieses Magazin starrt man in jedem amerikanischen Supermarkt, wenn man an der Kassa wartet. Und das Unterbewusstsein liest mit.
Ich musste kürzlich darüber nachdenken, warum ich denke, dass die meisten Menschen grundsätzlich gut sind, und andere denken, dass Menschen prinzipiell schlechte Absichten haben und nur auf ihren Eigennutz aus sind. Weder ist das eine noch andere 100 Prozent wahr, ich bin keinesfalls immer gut, aber auch nicht schlecht. Als 15-jährige lachte ich den (armen) Verehrer aus, als er das von mir sagte. Das sehe ich 50 Jahre später genauso. Die Welt ist nicht schwarz-weiß, etwa wenn Menschen sagen, dass Trump sehr charmant sein kann, auch wenn ich nicht einmal in einem Lift mit ihm fahren würde wollen.
Ähnlich wie Trump, fürchte ich, denkt auch Putin. Das machen alle so und wenn er nicht als erster zuschlägt, wird er verlieren. Er kann nicht sehen, dass seine eigenen Aktionen zur Vergrößerung der NATO führten, dass man fürchtet, er marschiert in weitere Länder ein. Er schließt von seiner Gedankenwelt, seinen Machtstrategien auf andere.
„Ich muss den anderen zuvor kommen, denn sonst werden sie gegen mich vorgehen.“ Es gibt nur Freund oder Feind. Auch wenn ich solche Freunde nicht haben möchte, ich will weder mit dem nordkoreanischen noch mit dem chinesischen Führer befreundet sein, denn auf ihre Loyalität würde ich mich nicht verlassen können. Also auf gut Deutsch, jeder könnte dein Mörder werden, Menschen mit gemeinsamen Interessen, aber nichts, was einer tatsächlichen Freundschaft nahe kommt.
David Pecker hat auf die Freundschaft gepfiffen und ist ein Abkommen mit der Staatsanwaltschaft eingegangen, um nicht angeklagt zu werden. Der Finanzchef, der CFO, von Trumps Unternehmen hingegen, Allan Weisselberg, ging nun zum zweiten Mal, für weitere 5 Monate, ins Gefängnis. Ich weiß nicht, wem ich 10 Monate meines Lebens schenken würde. Es wird wohl einen tieferen Nutzen haben und nicht unbedingt Freundschaft sein. Oder es ist so wie seine Schwiegertochter meinte, „He has more feelings and adoration for Donald than for his wife… For Donald, it’s a business. But for Allen, it’s a love affair”?
Gestern hat die Generalstaatsanwältin von Arizona Anklage gegen die Fake-Wahlmänner/Frauen in ihrem Bundesstaat erhoben. Was Trump mit all diesen Lügen der Demokratie angetan, ist massiv. Trotz über 60 verlorener Prozesse nach den Wahlen, glaubt die Mehrzahl der republikanischen Wähler, dass Biden die Wahl nicht gewonnen hat. Warum nicht mehr Demokraten in den Kongress gewählten wurden, kommt ihnen nicht in den Sinn. Glaube ist eine starke Kraft. Lügen, oft genug erzählt, wandeln sich zu geglaubten Illusionen. Kein Wunder, dass von sektenartigem Verhalten gesprochen wird.
Das Problem: es ist nicht wahr, Trump hat die Wahl verloren und manipuliert von Anfang an, das ist die Realität.
Ich, wie viele andere, halte mich für recht robust, wenn es darum geht, manipuliert zu werden. Niemand glaubt das leichtfertig von sich selbst. Oder hast du schon mal jemanden gehört, der sagt, ich glaube jeden Senf, den man mir serviert.
Ich habe über das Eröffnungsstatement der Verteidigung im Prozess „New York versus Donald Trump“ mehrfach das Bild gehört, dass die Anwälte Trumps Spaghetti an die Wand werfen und schauen, was kleben bleibt: “throw spaghetti against the wall and see what sticks.” um Zweifel zu säen, denn sie brauchen nur 1 Geschworenen, der einer Verurteilung nicht zustimmt.
Die Spaghettiwurftechnik ist ein üblicher Weg, den Prozess zu beschreiben, bei dem verschiedene Taktiken zur gleichen Zeit angewendet werden, um zu sehen, welche am besten funktioniert, also jene, die an der Wand kleben bleiben.
Etwa „Sleepy Joe“ oder „Biden Crime Family“ wurde von den Republikanern so oft wiederholt, dass selbst mir, ohne Fox News zu schauen, diese Slogans geläufig sind. Wer liest schon nach, was das bedeutet, oder wer das erfunden hat. Ob der einnickende Trump vor Gericht ebenso diese Berühmtheit erlangt, bezweifle ich. Die Demokraten wiederholen den Unsinn einfach nicht ständig wie aus einer Stimme. Das können die Republikaner. Deren Slogans kenne ich, auch wenn ich gegenteiliger Meinung bin. Was mich immer wieder verblüfft, wie erfolgreich Republikaner Spaghetti werfen können. Erstaunlich ist auch, wie sie selbst nach Österreich herüberschwappen.
Ich verstehe nicht, wie sich diese Geschichten selbst in mein Gedächtnis reinschmuggeln, auch wenn ich sie von Anfang an als Unsinn betrachtete.
„What have we done.“ schrieb der Anwalt von Stormy Daniels und Karen McDougal in der Wahlnacht an Dylan Howard, den früheren Herausgeber des „The National Enquirer“, als klar wurde, dass Trump gewinnen würde. David Pecker, der ehemalige Verleger, erzählte vor Gericht, welche Geschichten sie begruben „Catch and Kill“ und welche sie erfanden, wie die von Ted Cruz.
Ich finde es wichtig, meine eigene Schwäche zu kennen, auf solche Geschichten reinzufallen. Da nützt es mir wenig, wenn ich weiß, dass es in psychologischen Versuchen nachgewiesen wurde, wenn etwas lange genug wiederholt wird, wir dazu neigen zu sagen, da wird schon etwas dran sein. Es braucht immer Zeit, dem auf den Grund zu gehen.
Nichts ist einfacher, als das, was jeder sieht, zu meinem Nutzen zu interpretieren. Natürlich fällt mir der staksige Gang von Joe Biden auf. Seine Versprecher begleiten ihn schon sein Leben lang, er war als Kind ein starker Stotterer. Ich bewundere es, wie jemand, der mit so einem Handicap zu kämpfen hat, sich so in die Öffentlichkeit begibt. Gelästert hat man immer schon darüber, wahrscheinlich schon in Schule und Kindergarten.
Aber was ist mit dem steifen Gang? Das ist an mir vorbeigeschwebt, obwohl ich eifrig Nachrichten verfolge. Nun bin ich erst recht beschämt, denn wenn ich morgens aus dem Bett steige, stakse ich wie Joe Biden, oder wer sieht, wie ich mich aus dem Auto quäle, weil meine Hüfte schmerzt, könnte mich ebenso abschreiben. Die letzten Wochen nieste ich laufend, Birke und Gräser luden persönlich meine Allergie ein.
So viel anders liest sich der Gesundheitsreport von Joe Biden auch nicht. Es hat sich nichts zum vergangenen Jahr verändert, er leidet weiter an Neuropathie in beiden Füßen, gastroösophagealem Reflux, Allergien und Wirbelsäulenarthritis. Und der gebrochene Fuß vor einigen Jahren tut das seine dazu. Was seine geistige Gesundheit anbelangt, den lade ich ein, seine Rede an die Nation vom März 2024 anzusehen. Die war verdammt gut.
Wie naiv wir alle sind, sollte klar werden, wenn wir an den jungen dynamischen Präsidenten John F. Kennedy denken, der zwar jung aber tatsächlich schwer krank war, wie man bei diesem Spiegelartikel nachlesen kann. Oder jener Präsident, der Amerika aus der Weltwirtschaftskrise führte, die ersten Sozialgesetze einführte, und mithalf Europa zu befreien, Franklin D. Roosevelt, 3x gewählt, hielt seine Gehbehinderung so gut wie geheim. Es gibt kaum Fotos von ihm im Rollstuhl, in dem er allerdings die meiste Zeit saß.
Aber allen, die besorgt über die alten Männer sind, der Zug ist abgefahren. Es kommt jetzt weder Prinz oder Prinzessin aus einer Torte gesprungen. Darüber denke ich nicht mehr nach, es ist nicht mehr zu ändern.
Ich freue mich auf die vielen jungen Politiker*innen, die als Gouverneure, Minister und in anderen Rollen als Demokraten arbeiten. Da sind wirklich tolle Menschen in der Warteschlange. Auch wenn wir noch einige Jahre warten müssen.
1979 begann C-Span Übertragungen aus dem amerikanischen Kongress, seit 45 Jahren wird nun berichtet. Natürlich hat es immer wieder Probleme gegeben und man hat Adaptierungen durchgeführt. Etwa als Newt Gingrich 1984 vor leerem Saal seine Reden hielt, da aber nur eine Kamera, die auf ihn hielt, lief, wusste die Öffentlichkeit nichts davon. Herr der Kamera war aber Tip O’Neill, Sprecher des Repräsentantenhaus und der ließ die Kamera schließlich über die leeren Bänke schwenken. Das führte damals zu einem großen Skandal. Heute gibt es mehrere Kameras, Diskussionen gibt es immer noch. Sitzungen von Untersuchungsausschüsse gibt es öffentliche und nicht öffentliche. Anwälte sitzen immer wieder neben den Zeugen.
Ein Untersuchungsausschuss lief wie ein Krimi ab, aber er war alles andere als typisch. Sie hatten tatsächlich Regisseure beschäftigt, um es spannend zu gestalten: January 6th Committee Public Hearings.
Die Sitzungen im US-Kongress sind in Realität nicht immer spannend. Aber manche Abgeordnete schicken ihre Auftritte an jene, die ihre Newsletter abonniert haben. Andere legen wirklich gute Auftritte hin, wo viel erklärt wird. Diese bekommt man doch immer wieder auch in diversen Nachrichtensendungen zu sehen. Ich kenne deshalb mehr amerikanische Politiker als in Österreich.
10 Stunden 6 Minuten und 17 Sekunden
dauerte die letzte Live-Übertragung am 17.4.2024 aus dem österreichischen Parlament im ORF. Für 30 Tage kann sie nachgeschaut werden, anscheinend ist das der Informationsauftrag, für den ich jetzt mehr zahle. Also verweise ich wieder mal auf YouTube, da stellt jemand die ORF-Übertragungen der Sitzungen ein.
5 Tage später habe ich in 3 österreichischen Tageszeitungen keine Erwähnung gefunden. (Bis auf jene Fälle, die schon vorher Thema waren, wie unser ganz spezielle Spionageaffäre) Allerdings kann man sie auf der Parlamentswebseite nachschauen, ich weiß nicht, wie lange der Link korrekt ist.
Zur Nationalratssitzung selbst habe ich 4 Videos auf YouTube gefunden.
Tja … irgendwie beschämend. Wundern sich Politiker*innen wirklich, dass sie nicht beliebter sind? Was sie im Hohen Haus präsentieren, ist so spannend, dass niemand darüber berichtet. Als ob sie in einer Blase leben und nicht verstehen, dass wir sie nicht verstehen. Wahrscheinlich hat keiner Lust sinnentleerte Reden über fertig gebackene Gesetze zu hören.
Wie seltsam anders Fragestunden im österreichischen Parlament im Gegensatz zu den USA abläuft. Bei uns von der Regierungsbank herunter, also von oben herab, während Regierungsmitglieder in den USA unten sitzen und der Vorsitzende des jeweiligen Ausschusses, der das Hearing hält, oben sitzt. Im Grunde ist dies das Ergebnis der unterschiedlichen Form der Gewaltenteilung. Die Legislative ist in den USA tatsächlich in der Hand des Kongresses, der Präsident kann „nur“ verhandeln, bei uns werden Gesetze hauptsächlich durch die Regierung eingebracht. Keine Angst, das verstehen dort wie bei uns die wenigsten.
Trotz allem plädiere ich für weitere Übertragungen. Ich will das Untersuchungsausschüsse übertragen werden.
Es ist ein Unterschied, ob ich etwas lese oder höre und sehe.
Nicht alles, was übertragen wird, ist herausragend. Aber ich habe einige Herausragende gesehen.
Ich weiß noch, wie ich mich sträubte, mir den Prozess wegen des Mordes an George Floyd anzuschauen. Wie überrascht war ich, wie ruhig der Prozess ablief, wie klar ich folgen konnte. Das war nicht wie bei den Reality-Shows, wo Anwälte wild rumschreien. Es war zivilisiert. Nur eines bedauere ich, nicht jeder Bundesstaat der USA überträgt. Deshalb wird der Prozess gegen Donald Trump im Bundesstaat New York nicht übertragen.
Der Oberste Gerichtshof der USA hat begonnen zumindest die Argumente, die vorgebracht werden, auch als Hörprotokoll zur Verfügung zu stellen.
Den Prozess in Georgia wird man sehen können, jene von Jack Smith im Auftrag des Justizministeriums nicht.
Auch wenn vielleicht nicht alles von Anfang an klappen würde, dass die ÖVP die Übertragung von Untersuchungsausschüssen wieder einmal auf die nächste Legislaturperiode nach den kommenden Nationalratswahlen verschiebt, während die anderen dafür sind (ob die FPÖ nachwievor dafür ist, kann ich heute nicht sagen. Das wird sich wohl nach Thema ändern), spricht für sich.
Das ist die Zahl der offiziellen durchgeführten Todesstrafen weltweit. Die Tausenden mehr sind Staatsgeheimnisse von China, Nordkorea und Vietnam. Warum schämen sich diese Staaten, wenn sie so stolz sind, eigene Bürger umzubringen? Zur Abschreckung? Das funktioniert ja nicht, wenn es geheim ist. Oder dient es als indirekte Diszipliniermaßnahme der Bevölkerung? Denn, dass getötet wird, weiß man wohl. Da wird am Land öffentlich hingerichtet, mit Kopfschuss in den Nacken. Da werden Kinder geächtet, weil ein Elternteil ein Mörder ist. Da werden andere Länder unter Druck gesetzt, damit es zu einem Gefangenenaustausch kommen könnte.
Wenn Todesstrafe Abschreckung wäre, müsste sie je schon seit Jahrtausenden funktionieren. Das tut sie nicht. Todesstrafe ist für mich der gelungene Versuch, Gott zu spielen. Was unterscheidet uns dann vom Mörder selbst?
Ich wünschte mir, dass Abtreibungsgegner sich in diesen Fällen genauso fürs Leben einsetzen würden.
Ich bin nicht super tolerant, nicht alles lässt mich kalt, mit manchen Menschen habe ich kein Erbarmen, trotzdem finde ich das Töten mein Recht als Mensch überschreitet. Wenn jemand, der seine eigene Tochter 24 Jahre als Gefangene hält, sie vergewaltigt und 7 Kinder mit ihr zeugt, Gnade erfahren soll, nachdem er einen Bruchteil der Zeit eingesperrt war, ist bei mir Schluss. Zum Tode verurteilen will ich trotzdem nicht.
Auf die Todesstrafe bin ich gestoßen, als ich eine Dokumentation über Kinderheime las und gesehen habe, in denen diese Kinder selbst auch zu Geächteten wurden. Sippenhaft nennt man das. Ich begann nachzulesen.
Manche Menschen machen das zu ihrem Programm und viele von denen denken, dass alle anderen auch so ticken. Das tun sie nicht.
Ich habe erst angefangen, taktisch zu denken, als man mir schon ein Messer reingerammt hat. So zu denken, mag ich nicht, vorsätzlich mache ich es erst recht nicht, selbst aus der Defensive heraus, führte es bei mir zu schweren Magenschmerzen. Ich bin echt untalentiert, wenn es darum geht hinterfotzig zu sein.
155.940 Euro haben wir Steuerzahler geblecht, um jemanden mit folgendem Profil zum Bundeskanzler zu machen.
Eigentlich habe ich nur an hinterfotzig gedacht, dann ist mir Sebastian Kurz eingefallen, dann habe ich gegoogelt und bin auf die im Auftrag und auf Rechnung des Finanzministeriums (unter der Anleitung des einstigen BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid) angefertigte Studie gestoßen. Ich hatte das nicht im Auge. Ich war überrascht und auch nicht, brachte ich dieses einfache Wörtchen „hinterfotzig“ ja selbst mit ihm in Verbindung.
Der einzige Trost ist, dass es unter anderem diese Studie war, den „hinterfotzigen und über Leichen gehenden“ Bundeskanzler zum Rücktritt zu bringen.
Immer wieder höre ich wie man mit Entsetzen über amerikanische Zustände berichtet, was mich noch viel mehr erschüttert, ist, wie oft ich an österreichische Parallelen denke, oder wie naiv wir sind.
Wenn wir einen „Master of the Universe“ wählen, aber über die Wahl von Donald Trump lachen. Hübscher und jünger, aber sonst?
Er hatte kürzlich einen Notartermin (was sagt es über mich, dass ich Notarzttermin gelesen habe), um sein Firmenkonstrukt neu aufzusetzen. Zugleich hört und liest man derzeit über das komplizierte Konstrukt von René Benko oder dem Wirecard-Skandal (oder mehr von Jan Marsalek) und deren Verbindungen in die Politik und vielleicht auch in die Welt der Spionage.
Genau in diesem Moment musste ich daran denken, was ist, wenn nicht nur Marsalek , der in Russland untertauchte und von dort aus immer noch Agenten (auch österreichische) dirigierte, sondern auch Benko Verbindungen nach Russland hat. Heutzutage ist es einfach, kurz gegoogelt und Russisches Geld für Signa war gefunden.
Sind wir in Europa wirklich so naiv? Können wir eins und eins nicht zusammenzählen? Glauben wir wirklich, der Krieg beginnt erst, wenn Bomben fallen?
Die nächsten Tage werde ich mir den Beitrag mit vielen Links zu weiteren Beiträgen der Deutschen Tagesschau „Der Krieg in den Netzen“ zu Gemüte führen.
Heute habe ich nur frei assoziiert und zuletzt musste ich daran denken, dass Robert Mueller als Special Counsel „Russian interference in the 2016 United States elections“ eine weitreichende und systematische („sweeping and systematic“) Einmischung in die Wahlen 2016 belegte, die zur Präsidentschaft von Donald Trump führte.
Doch es gibt sie, die anderen Politiker, die meine ganze Bewunderung ernten. Etwa jene, die alles tun, um die Verschlechterung der Wahlrechte zu verhindern.
John Lewis war so einer. Er hat sein Leben lang darum gekämpft. Ein Gesetz zum Schutz von Wahlen, der John Lewis Voting Rights Act, liegt in der Schublade, denn es hatte nicht die notwendige Mehrheit bekommen. Der Oberste Gerichtshof der USA hat sukzessive die Gesetzgebung aus den 1965 Schritt für Schritt aufgehoben. 1965 war John Lewis auf der Straße und kämpfte dafür, über 50 Jahre später, kurz vor seinem Tod, hat er dieses Gesetz im Congress eingebracht.
Solche Helden gab es auch in Österreich, aber es ist schon lange her. Nicht weil es keine mutigen Politiker gibt, sondern weil wir, trotz vieler Schwächen, eine Demokratie sind, die heute nicht mit Leben und Tod erkämpft oder verteidigt werden muss.
Sind wir wirklich so naiv zu glauben, dass sie nie wieder verloren geht? Die USA lehrt anderes. Sie sind nicht durch den Faschismus gegangen wie wir in Europa. Dennoch ist die Demokratie dort in Gefahr.
In den vergangenen Jahren habe ich oft den Vergleich zu Nazi-Deutschland gehört. Es wurden Bücher geschrieben, die den Einfluss Deutschlands auf amerikanische Politiker in den 1930er aufzeigen, die beschreiben, wie deutsche Agenten die USA unterwanderten.
Autoritäre Tendenzen gab und gibt es überall. Wir dürfen das nicht vergessen. Was ich hier schreibe, könnte ich ohne Gefahr nicht mehr schreiben. Freie Meinungsäußerung wird in Diktaturen nicht geduldet.
John Lewis wurde mehrfach schwer verletzt, als er um Bürgerrechte an der Seite von Martin Luther King kämpfte. Wir vergessen, dass Menschen starben und sterben, weil sie für Demokratie kämpften und auch heute noch kämpfen. Der jüngste und bekannteste Fall war der Tod von Alexei Nawalny.
Wer noch nachschauen möchte: Selma (kann via Streaming angeschaut werden) und Good Trouble (ich habe beim Filmverleih mehrfach nachgefragt, dass ich ihn in Europa streamen möchte, vielleicht wird es mal was).
Recht kann spannend sein. Als ich mir den Gesetzestext zur Abtreibung, raussuchte, staunte ich. Denn im Paragraph über dem §97, dem zur Fristenlösung, kann jeder nachlesen, dass die Abtreibung selbst verboten ist.
Es ist Zeit, wieder und immer wieder darüber zu sprechen, so wie vor 50 Jahren im österreichischen Parlament. Der Kompromisslösung Abtreibung straffrei zu stellen, trat nach einigen Hindernissen am 1.1.1975 in Kraft.
Straffrei bedeutet aber, es gibt etwas, das unter Strafe steht. Und das findet sich einen Paragraph oberhalb.
§ 96. StGB
(1) Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen, begeht er die Tat gewerbsmäßig, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, begeht er die Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(3)Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zuläßt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
Abtreibung ist kein Thema über das Frauen einfach sprechen. Auch die Annahme, dass sie leichtfertig durchgeführt wird, bezweifle ich, das gilt mit Sicherheit für die meisten Fälle. So etwas macht niemand so nebenbei.
Allen, die meinen, dass ein Verbot Abtreibungen verhindert, widerspreche ich. Das einzige, was das Verbot mit Sicherheit mit sich bringt, ist eine Gefährdung der Frauen. Das alleine ist für mich Grund genug, mich dafür einzusetzen.
Der große Vorteil, alt geworden zu sein, ist, dass ich mein eigener Zeitzeuge geworden bin. Denn oft wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde – meist im Stillen.
Das erste Mal erzählte mir eine andere Frau, ein Teenager, eigentlich ein Kind, mit 12 oder 13 Jahren, eine Mitschülerin, entweder vor oder knapp nach der Legalisierung von ihrer Abtreibung. Das hat mich mehr beeinflusst, als mir damals bewusst war. Ich war zu jedem Unsinn bereit, aber ich wollte mit keinem Mann schlafen, mit dem ich nicht bereit war, auch ein Kind zu haben. Trotz meines schlechten Rufs, war ich 21, als ich zum ersten Mal mit einem schlief. Derjenige wusste nichts davon, ich erzählte es ihm nie. Warum ich kein Jungfernhäutchen mehr hatte, ist ein anderes Thema. So wie ich mich damals entschied, keine Abtreibung durchführen zu wollen, wann immer ich schwanger werden könnte. Auch davon erzählte ich niemandem. Heute spreche ich zum ersten Mal davon.
In der Zwischenzeit lernte ich von vielen Frauen, die vor 1975, vor der Fristenlösung, abtrieben.
Meine Mutter war eine davon, und ich wage zu behaupten, sie wurde von meinem Vater unter Druck gesetzt. Und sie hat ihm nie verziehen. Manchmal spürt man Ungereimtheiten und hat keine Ahnung, was nicht stimmt. Das ist der Kern von Familiengeheimnissen, unbewusst weiß man, es stimmt was nicht. Es war die Zeit um die Alzheimer-Diagnose meiner Mutter, als ich mehr zu meiner Kindheit wissen wollte, sehr unschuldig, nicht ahnend, was ich auslöste. Ich fragte, ob ich öfters bei meiner Großmutter schlief, denn in meiner Erinnerung war es nur eine unheimliche Nacht. Sie antwortete, nur einmal, als sie mit meinem Vater und ihrem Schwager nach Wien zur Abtreibung fuhr. Weiters sagte sie, wie furchtbar es war, wie hocherfreut ich auf sie zurannte. Wie konnte ich mich freuen, wenn es ihr so schlecht ging? Dass ich etwa 7 oder 8 Jahre alt war, spielte in ihrer Erinnerung keine Rolle. Ich verstand aber einiges nach 35 Jahren. (Dass mein Vater mich zu beschimpfen begann, dass ich mit diesen Fragen bei meiner Mutter viel Schmerz auslöste, wunderte mich nicht. Ich hatte endlich Antworten und blieb meiner Rolle als schwarzes Schaf der Familie treu.)
Es kam noch schlimmer, als ich ein anderes Mal fragte, ob Mutters Krebs ein gut- oder bösartig war, nachdem ich jeder und jedem Frauenarzt seit Jahrzehnten sagte, dass meine Mutter Gebärmutterkrebs hatte. Weder meine Mutter noch mein Vater konnten sich erinnern. Sie blickten nur verlegen von mir weg. Nur, dass sie so blutete, dass mein Vater fürchtete, dass sie sterben würde, erzählte er. Das war 1969. Ich habe keine Erinnerung, wie ich die Tage alleine mit meinem Vater verbrachte. Dieses Faktum wusste ich, wie ein Fakt aus dem Geschichtsbuch, ohne emotionale Verbindung. Ich war 7 Jahre alt.
Solch seltsame Bilder habe ich einige, Schnappschüsse, die ich nicht miteinander in Verbindung brachte.
Erst als ich darüber nachdachte, die Puzzleteile, die ich zu unterschiedlichen Zeiten sammelte, zusammenfügte, wurde mir klar, dass es kein Krebs war, sondern Ergebnis dieser Abtreibung, bei der sie letztendlich unfruchtbar wurde.
Das sind Ergebnisse, wenn Abtreibungen illegal sind.
Es ist Zeit, Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Ps.
1. Meine Mutter war nicht die einzige Mutter, von der ich weiß, dass sie abgetrieben hat, als es illegal war. Und warum mein Onkel wusste, wo man abtreiben kann, sagt wohl genug. 2. Das Problem haben nicht nur wir in Österreich
Endlich habe ich einmal die Möglichkeit in Österreich Medien zu vergleichen, denn das Hauptthema der vergangenen Tage ist Österreichs Spionageaffäre. Ich höre mich durch mir bekannte und unbekannte Podcasts und lerne.
“Das sieht man zum Beispiel bei der BVT-Razzia. Ich glaube, da hat zum Beispiel die WKStA nicht ganz den Überblick gehabt, was sie mit so einer Razzia international und national auslösen kann.”
Plötzlich fällt dieser kleine Nebensatz und ich denke mir, stimmt das so? Ich selbst habe meine eigenen Gedanken und auch Vorbehalte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, aber der Skandal dieser Razzia ist nicht alleine auf deren Mist gewachsen. Der Eindruck jedoch durch diesen nur beiläufig genannten Satz ist, dass diese Einheit selbst entweder korrupt oder schlicht unfähig ist.
Das stört mich und ich beginne zu graben. Denn ich habe das ein wenig anders in Erinnerung. Ich gestehe, ich bin kein Fan von zu vielen Details, ich will einen groben Überblick gewinnen und der war, als dieses Drama begann, nicht möglich. Zu vieles war unbekannt und wurde erst über die Jahre klarer und sichtbarer. Wenn ich mich jetzt auf dieses Spiel einlasse, lese ich da und dort und dann nochmal und wieder, und die Dämmerung der Erkenntnis beginnt. Jetzt habe ich endlich die Möglichkeit ein Bild zu sehen. Anscheinend ist die Geschichte noch immer nicht fertig, denn mein Wunsch, ein Buch darüber zu lesen, verhallt bislang ungehört im Universum. Noch ist es nicht geschrieben.
So beginnt meine kleine Recherche.
Der Satz klingt, als ob die unabhängige Staatsanwaltschaft plötzlich aus dem Nichts heraus eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchführte.
Oberflächlich gesehen ist es eine einfache, genauer betrachtet eine verdammt komplizierte Geschichte.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte eine Hausdurchsuchung nicht nur im BVT, sondern auch bei einem Spitzenbeamten des BVT angeordnet. Ein Journalrichter hatte sie in den Abendstunden abgesegnet, offenbar ohne sich näher mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, wie er später zugab, schreibt Anna Thalhammer im Profil.
Das alleine bringt mich zum Kochen. Ein Richter muss so etwas abzeichnen, damit es nicht zu einer Überschreitung von Grenzen kommt und unser Rechtssystem nicht gebeugt oder gar gebrochen wird. Er oder sie darf nicht einfach ein Hakerl drunter machen und denken, es wird schon stimmen. Dann brauchen wir keine Richter, wenn er oder sie das Hirn nicht einschaltet und seiner/ihrer Aufgabe nicht nachkommt.
Anna Thalhammer, jetzige Chefredakteurin des Profils, einst selbst im Visier der WKStA schreibt in einem für mich unglaublich neutralem Ton eine fantastische Geschichte. Sie stellt wesentliche Fragen.
„Wie konnte es sein, dass die Polizisten einfach Operationsdaten anderer Länder einsehen dürfen? Wie war es überhaupt so weit gekommen? Und ich fühlte: Das ist eine politische Intrige, nur wer steckt dahinter?“
Ex-Spionageabwehrchef Bernhard P. Seine Gedanken am Abend nach der Razzia
„Ist es Zufall, dass man ausgerechnet auf P. losging, der im BVT für Russlandspionage zuständig war? Ist es Zufall, dass in den sichergestellten Daten nach Verbindungen der FPÖ, Russland und Ukraine gesucht wurde, wie aus dem Akt hervorgeht? Wollte die damals neue, politische Führung im Innenministerium vielleicht einfach nur zu gern wissen, was der Staatsschutz weiß? Weder P. noch sein Anwalt glauben noch an Zufälle. Dafür haben sie in den vergangenen Jahren zu viel gesehen.“
Viele Fragen und noch immer gibt es nicht alle Antworten. Erst nach unzähligen Berichten beginne ich nun langsam den Rahmen zu sehen. Es fügt sich. Und es fügt sich leider so, dass ich wieder bei einem meiner Lieblingsthemen lande: der Gewaltenteilung.
Es war jene Zeit, als die ÖVP kein Problem hatte, der FPÖ, genauer Herbert Kickl, das Innenministerium zu überlassen, das von 2000 bis 2017 von ihnen gestellt wurde, jene ÖVP, die die WKStA als eine Staatsanwaltschaft in roten Händen bezeichnet, weil sie Korruption in alle Richtungen untersucht (und nicht nur in Richtung ihrer Feinde). Der parteiunabhängige Justizminister in der Regierung Kurz (2017-2019) hingegen macht den Anschein, nicht die geringste Ahnung von Politintrigen gehabt zu haben.
Am Ende saßen sogar Ermittler des Innenministeriums bei der WKStA, schrieben auf Briefpapier der Justiz und benutzten ihre Mailadressen.
Die Gewaltenteilung eines demokratischen, liberalen Rechtsstaats war dadurch bis zu einem gewissen Grad schlicht abgeschafft – und niemand interessierte sich dafür.
Gewaltenteilung dient nicht hauptsächlich der Verteilung von Macht sondern viel mehr der gegenseitigen Kontrolle. Das erst macht die Stärke einer Demokratie aus. Wird die Justiz erstmal ausgehebelt, funktioniert ein demokratisches System nicht mehr richtig. Auch unter dem Nationalsozialismus gab es Gerichte, aber unabhängige Richter nicht mehr.
Nach dem Rücktritt der Türkis-Blauen Regierung drehten die Übergangsminister Clemens Jabloner (Justiz) und Wolfgang Peschorn (Innenministerium) die selbsterrichtete Justizpolizei ab, schreibt Thalhammer weiter.
Im ihrem Artikel sind fast alle meine Bedenken zur WKStA genannt. Es ist wie ein Fluch, denn die Notwendigkeit einer solchen Staatsanwaltschaft ist für mich keine Frage, aber die in meinen Augen leider zu oft dilettantischen Anklagen schaden dem wichtigen Auftrag.
Ich habe die zwei Anklageschriften Jack Smith gelesen, in denen Donald Trump auf bundesstaatlicher Ebene angeklagt wird. Die sind verständlich klar und faktenbasiert, sie werden auch sprechende Anklageschriften genannt (das wird nicht in allen Anklagebehörden der USA so gehandhabt). Sie sind so geschrieben, dass selbst ein juristischer Trottel wie ich sie verstehen kann.
Bei den Anklagen der WKStA hatte ich immer wieder den Eindruck, als ob guter altwienerischer Basena-Tratsch Eingang in die Anklageschriften findet. Schon vor dem Prozess fragte ich mich immer wieder, kommt da noch mehr? Bei den wenigen, die ich beobachtete, kam nicht mehr. Was letztendlich zu Freisprüchen führte.
Nur zum Vergleich: in den USA werden vergleichbare Prozesse zu 95% gewonnen, denn die Bundesstaatsanwaltschaft wägt nicht nur selbst ab, ob ein Prozess gewonnen werden kann, eine Grand Jury stimmt ab, bevor es zu einer tatsächlichen Anklage kommt. Dieser werden die Fakten der Staatsanwaltschaft präsentiert, erst wenn die Grand Jury bestätigt, dass genügend Verdachtsmomente bestehen, kommt es zur Anklage.
„Currently federal prosecutors tout above a 95% conviction rate. This is primarily due to the fact that most cases never make it to trial. Most defendants end up taking a plea bargain rather then risk a potentially much greater prison sentence which could be dealt them if they actual went to trial and lost.“
in 165 Fällen weitere Ermittlungsansätze zu anhängigen Ermittlungs- bzw. Hauptverfahren
bisher in mehr als 146 Anklagen:
93 Verurteilungen
35 Diversionen
36 Freisprüche
Statistisch können diese Zahlen nicht weiter verwendet werden, denn 93+35+36 ergibt 164 nicht 165. Ich habe schlicht keine Ahnung, was die Zahlen aussagen sollen. Und leider sind die wenigen Medienberichte nicht aussagekräftiger sondern gut abgeschrieben.
Außerdem, wer weiß schon, was Diversionen sind. Und ich lerne wieder einmal. „Die Diversion ist die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, bei hinreichend geklärtem Sachverhalt auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens zu verzichten. Der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bekommt im Fall der Diversion das Angebot, sich einer belastenden Maßnahme zu unterwerfen (z.B. gemeinnützige Arbeit). Wenn ein Strafverfahren mittels Diversion beendet wird, erfolgt kein Schuldspruch und keine formelle Verurteilung. Es erfolgt auch keine Eintragung im Strafregister.“ Das ist ungefähr das, was als „Plea Bargain“ in den USA bezeichnet wird, aber ohne Eintragung ins Strafregister. So war es bei der Falschaussage von Bettina Glatz-Kremsner.
Was habe ich gelernt? Man kann der WKStA alles mögliche vorwerfen, doch waren im Falle der BVT-Razzia gewaltig politische Interessen und Manipulationen mit im Spiel. Die Vermutung vieler Journalist*innen, dass die FPÖ herausfinden wollte, was der Staatsschutz über ihre Verbindungen zu Russland weiß, erscheint mir naheliegend.
Und es tut mir leid zu sagen, dass dieser leichtfertig hingeworfene Satz eines Journalisten ist für mich untergriffig und manipulativ. Ich merke, wie sensibel ich geworden bin. Ich versuche, so wenig wie möglich und so gut ich kann, meinen und anderen Vorurteilen auf die Schliche zu kommen.
Das waren wieder mal viel Worte für eine schlichte Erkenntnis. Aber eines hat es gebracht: Dank Anna Thalhammer habe ich eine weitere Wochenzeitung abonniert.
Es ist vorbei für mich mit den mir fertig gekochten Sendungen. In einer Reihenfolge serviert, die mir in Wahrheit nie behagte, sondern hervorragend als Schlafmittel diente, weil mich gerade mal etwas nicht interessierte.
Ich wähle mir aus, was ich höre, sehe und zwar nicht in verzweifelter Suche doch einen Sender zu finden, der vielleicht etwas spielt, was ich spannend finde und in endloser Herumzipperei endete. Irgendwann ließ ich es sein. Streamen nennt man es bei Videos. Mag sein, dass andere Tanzvideos oder Musik suchen, ich schau mich um nach Politik, Archeogenetik und anderen Dingen, die ich spannend finde.
Ich höre aber auch leidenschaftlich.
Ich habe viele Podcasts abonniert, manche höre ich regelmäßig, bei anderen wähle ich nach Thema aus. Die Wissenschaftssendung des SRF, des Schweizer Rundfunks, etwa, höre ich immer gerne.
Selten gibt es aber einen Fall, bei dem ich vergleichen kann, wie die verschiedenen Medien ihre Podcasts gestalten. Egisto Ott, der österreichische „Es ist ja nicht so tragisch“ Spion, in Qualtinger Manier ein typisch österreichisches Schicksal, bietet sich wunderbar an die verschiedenen Sendungen zu vergleichen, denn der konnte von den politischen Nachrichten nicht ignoriert werden.
Vieles klingt wie vom Mittagstisch einer Zeitungsredaktion. Da tratschen zwei, die schon gestern miteinander geredet haben, sie haben ein gewisses Vorwissen und man hört vom Nebentisch aus zu. Die zweite Variante mag ich ebenso wenig, denn bei jenen entsteht bei mir der Eindruck, ein/e Lehrer*in erklärt der kleinen Ruth wie die Welt sich dreht. Früher nannte man das Oberlehrerhaft, wobei es in meiner Schulzeit schon keinen Oberlehrer mehr gab und das ist mehr als 40 Jahre her. Nicht immer ist das Format eines Gesprächs optimal.
Das ist der größte Unterschied von „Inside Austria“ zu den anderen Podcasts. Ersterer liefert immer eine gut geschnittene, äußerst informative Dokumentationen. Manche höre ich immer wieder nach, wenn die Details zu kompliziert sind, als dass ich sie mir auf einen Schwung merke.
Vielleicht ist dies der Grundton österreichischer Skandale. Es zieht sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte, und niemand hat mehr eine Ahnung, worum es überhaupt geht. Eurofighter ist ein strahlendes Beispiel. Alles, was ich weiß, ist, dass es um den Eurofighter geht, aber sonst ist da nur ein schwarzes Loch.
Es war unter anderem aber auch Anlass Abos abzuschließen, was ich noch für eine weitere österreichische Tageszeitung (Kurier) und eine Wochenzeitung (Falter) tat. Das kostet mich weniger als der ORF-Beitrag. Ich konsumiere allerdings beim ORF am wenigsten Sendungen. Ja, ich nütze oft günstige Angebote, dafür unterstütze ich mehrere Medien. Ohne die ist Demokratie nicht möglich.
Ich mag es, wenn ich Menschen sprechen sehe und wenn das nicht geht, zumindest höre. Beim Lesen geht mir einfach eine Qualität ab. Besser gesagt, es wird etwas anderes.
Vielleicht erkläre ich es mit etwas ganz Einfachem. Ich liebe Krimis. Kürzlich habe ich einen Südtiroler Autoren und Journalisten entdeckt: Lenz Koppelstätter. Seitdem höre ich seine Krimis. Eines der Bücher wurde von einem Innsbrucker Schauspieler gelesen. Wahrscheinlich wird es für durchschnittliche Hörer zu viel Tirolerisch gewesen sein, ich habe es geliebt. Ich habe so oft lachen müssen, weil ich ganz einfach an das Land, in dem ich aufwuchs, denken musste. Die Sprache löste ein wunderbares Heimatgefühl aus. Dieser Schauer überkommt mich nach wie vor, wenn der deutsche Sprecher der anderen Bücher ein wenig Dialekt einfließen lässt. Das macht Sprache, nicht das geschriebene Wort.
Dann gibt es noch Körpersprache und die Mimik. Kürzlich haben zwei Psycholinguistinnen, Marianne Gullberg und Maria Graziano, von der Universität Lund die Körpersprache italienischer und schwedischer Menschen untersucht und herausgefunden, dass in Schweden nur etwa halb so viele Gesten während eines Gesprächs verwendet werden als in Italien, zumindest bei den jeweiligen Probanden. Wie trivial, doch bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen.
Immer wieder fühle ich mich ertappt, wenn ich Videos oder Podcasts über Politik bevorzuge und ich nicht lieber lese. Lesen sei doch das Wahre. Finde ich nicht. Aber ich freue mich, dass mehr und mehr Transkripts bei den audiovisuellen Medien zugänglich sind. Wenn etwas wichtig ist, kann ich es noch mal lesen. Das ist, was ich mag.
Schwierig allerdings ist für mich zu beschreiben, warum und wie ich etwas dabei fühle. Denn das ist es, was zum geschriebenen Wort hinzugefügt wird.
Wir sind es aber nicht gewöhnt über unsere Gefühle zu sprechen, wenn es um Politik geht, das tun nur Populisten. Blödsinn, wir sind Menschen, wir alle tun es, wir alle haben Gefühle. Und sie beeinflussen uns auf einer weiteren Ebene.
Bei Dokumentationen sind es nicht nur Personen, es ist die Musik, der Schnitt und wahrscheinlich noch viel mehr. GesprächeundInterviews sind weniger geladen, trotzdem kommt mehr mit als bei einem reinen Text. Das mag ich.
Ich kann nur jeden einladen, es an sich selbst auszuprobieren, einmal bei meinem Lieblingspodcast aus Österreich: Inside Austria oder Frontline von PBS (Public Broadcast Service, ein öffentlich geförderter (nicht vollfinanziert) Sender in den USA. Bei letzterem stehen oft auch noch die einzelnen Interviews, die für die Dokumentation aufgenommen wurden, zur Verfügung.
Inzwischen finde ich es sehr angenehm, dass ich viele der Journalist*innen und Politiker*innen mehrfach (oft) gesehen habe, deren Lebensläufe gelesen habe, sie besser einschätzen kann. Ich weiß ungefähr, wo sie stehen, warum sie so und nicht anders berichten oder sprechen.
Dieses Wissen ist in Österreich kaum zugänglich. Leider!
Seit ich mich mit Demokratie und politischer Berichterstattung beschäftige, war eines erstaunlich: ich habe verdammt gute Politiker*innen und Journalist*innen kennengelernt.
Durch unseren von Schlagzeilen geprägten Nachrichtenkonsum hören wir von Skandalen und von Korruption, aber kaum gute Nachrichten. Und wenn mal von guten Nachrichten die Rede ist, wird es künstlich und seltsam aufgesetzt.
Reine Nachrichtensender jedoch sind gezwungen den ganzen Tag mit Nachrichten zu füllen. Also spricht man mit allen möglichen Politiker*innen, den Guten wie den Schlechten. Jetzt kenne ich also viel mehr gute Politiker*innen aus den USA als aus Österreich. Das gilt auch für Journalist*innen, die mich durch ihre qualifizierten Analysen Situationen besser verstehen lassen. Der Grund ist schlicht, ich höre und sehe nicht viel von unseren „normalen“ Politiker*innen. Ich bin jedoch überzeugt, es gibt sie da wie dort.
Schließlich ist das Gegenteil passiert als erwartet. Ich dachte, ich würde müde und satt werden, wenn ich mich mit Politik auseinandersetze. Aber ich habe tolle Menschen kennengelernt, ich habe gelernt, dass sie keine Heiligen sind, sie haben vielleicht mal falsch entschieden, doch nur, weil sie an ihren Zielen gearbeitet haben. Nur wer seine Hände in den Schoß legt, macht keine Fehler. Jene würden aber auch die Welt nicht zum Besseren verändern. Stillstand wäre das Ergebnis.
Stellvertretend für viele, die unsere Welt veränderten, will ich nur 2 nennen: Johanna Dohnal, erste österreichische Frauenministerin, und John Lewis, ein amerikanischer Bürgerrechtskämpfer, der als junger Mann mit Martin Luther King und Jahrzehnte später mit Obama zum Gedenken an jene Zeit marschierte, nachdem er schon oftmals in den Congress gewählt wurde, wo er bis zu seinem Tod diente.
Ich bin langsam, extrem langsam. Ich wiederhole immer wieder und immer wieder, ich habe Fotos von einer und derselben Art von Blume Jahr für Jahr gemacht, um sie in einer App (Flora Incognita) nachzuschlagen.
Ich habe eine App, die mir sagt, dass es der Jupiter ist, den ich am Morgen gesehen habe und nicht die Venus.
Aber es waren nicht nur Blumen und Sterne. Politik war ein Riesenunterfangen für mich. Denn es ist so vielfältig und vielschichtig, dass ich selbst jetzt nach Jahren nicht weiß, wie ich es einfach wiedergeben könnte. Ich habe mich für Miniaspekte in diesem Blog entschieden.
Meistens bin ich sehr glücklich, in einem kleinen Land zu leben. Der Nachteil ist, dass ich nicht auf 100 verschiedene Weisen über ein Ereignis nachhören oder schauen kann. Ja, Hören und Sehen sind meine Favoriten, wenn es ums Lernen geht. Lesen nicht so. Früher war das die einzige Möglichkeit, neben den Vorlesungen auf der Universität. Wie gerne würde ich an Vorlesungen einfach zuhause teilnehmen. Ich will keinen Sitzplatz wegnehmen. Eine Kamera würde reichen.
Was mache ich stattdessen? Ich habe jene Podcasts, die sich mit den großen Skandalen Österreichs befassen, einfach immer wieder angehört. „InsideAustria“ von Standard und Spiegel ist mit der Wertvollste.
Traurig ist, dass ich auf diverse politische Aspekte Österreichs durch andere Länder und deren Medien, die sich mit den dortigen Problemen auseinandersetzen, gebracht wurde. Kleines Land bedeutet leider auch weniger Medien.
Was meine ich?
Als ich wissen wollte, wieviele Gesetze durch Regierung und wieviele durch die Opposition eingebracht wurden, welche in Kraft traten und welche nicht, stand ich vor der Tatsache, dass ich die Statistik wohl selbst machen müsste. Zugänglich ist es.
Warum wollte ich dies wissen?
Gewaltenteilung habe ich großartig in der Schule gelernt. Dass diese in Österreich nicht ganz so getrennt sind, habe ich erst später durch Vergleiche mit anderen Staaten gelernt. Die Art und Weise, wie unsere Demokratie definiert ist, gibt viel der legislativen Kraft in die Hand unserer Exekutive. Das bedeutet unsere Regierung (die Exekutive) macht die meisten Gesetze, bringt sie in den Nationalrat. Was ich wissen wollte, gibt es auch welche, die die Opposition einbringt? Ja, die gibt es, aber ich kann nicht sagen wie viele und ob sie in Kraft getreten sind. Das war mir dann doch zu langweilig (denn es sind sehr viele, die in einer Gesetzesperiode verabschiedet wurden, auch das war neu für mich).
Spannend ist aber auch, wie sehr eine Regierungspartei (quasi Großteil der Exekutive) unsere Judikative angreift.
Was wir dabei übersehen, ist, dass dies auch ein Angriff auf einen demokratischen Grundsatz ist. Das wird klar, wenn ich auf die langsame Umwandlung von demokratischen Ländern in autokratische schaue. Etwa die Justizreform Polens 2015, die eine Disziplinarkammer für Richter brachte und die damit die Unabhängigkeit der Justiz so beeinträchtigte, dass der EuGH Polen verurteilte. Die neue Regierung ist nun dabei diese Aushebung des Rechtssystems Schritt für Schritt wieder rückgängig zu machen. Der Präsident, ein Vertreter der autokratischen Partei, stellt sich dem entgegen so gut er kann.
Demokratisch agieren, ist auch verdammt zäh und langsam.
Politische Parteien, die Gewaltenteilung für gut und recht befinden, aber nur, wenn sie sie nicht betreffen, gefährden die Demokratie.
Die türkise ÖVP greift unser Justizsystem gerne an, wenn Untersuchungen in ihre Richtung gehen. Viele Argumente, die vorgebracht werden, habe ich in den USA bei dem ehemaligen Präsidenten gehört. Es gibt immer wieder Wellen in Österreich, die klingen wie aus anderen Ländern.
Und während wir gerne auf die anderen zeigen, wie entsetzlich deren System sei, bin ich erschüttert, dass demokratiefeindliche Argumentation sich weltweit gleicht.