Manche Menschen machen das zu ihrem Programm und viele von denen denken, dass alle anderen auch so ticken. Das tun sie nicht.
Ich habe erst angefangen, taktisch zu denken, als man mir schon ein Messer reingerammt hat. So zu denken, mag ich nicht, vorsätzlich mache ich es erst recht nicht, selbst aus der Defensive heraus, führte es bei mir zu schweren Magenschmerzen. Ich bin echt untalentiert, wenn es darum geht hinterfotzig zu sein.
155.940 Euro haben wir Steuerzahler geblecht, um jemanden mit folgendem Profil zum Bundeskanzler zu machen.
Eigentlich habe ich nur an hinterfotzig gedacht, dann ist mir Sebastian Kurz eingefallen, dann habe ich gegoogelt und bin auf die im Auftrag und auf Rechnung des Finanzministeriums (unter der Anleitung des einstigen BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid) angefertigte Studie gestoßen. Ich hatte das nicht im Auge. Ich war überrascht und auch nicht, brachte ich dieses einfache Wörtchen „hinterfotzig“ ja selbst mit ihm in Verbindung.
Der einzige Trost ist, dass es unter anderem diese Studie war, den „hinterfotzigen und über Leichen gehenden“ Bundeskanzler zum Rücktritt zu bringen.
Immer wieder höre ich wie man mit Entsetzen über amerikanische Zustände berichtet, was mich noch viel mehr erschüttert, ist, wie oft ich an österreichische Parallelen denke, oder wie naiv wir sind.
Wenn wir einen „Master of the Universe“ wählen, aber über die Wahl von Donald Trump lachen. Hübscher und jünger, aber sonst?
Er hatte kürzlich einen Notartermin (was sagt es über mich, dass ich Notarzttermin gelesen habe), um sein Firmenkonstrukt neu aufzusetzen. Zugleich hört und liest man derzeit über das komplizierte Konstrukt von René Benko oder dem Wirecard-Skandal (oder mehr von Jan Marsalek) und deren Verbindungen in die Politik und vielleicht auch in die Welt der Spionage.
Genau in diesem Moment musste ich daran denken, was ist, wenn nicht nur Marsalek , der in Russland untertauchte und von dort aus immer noch Agenten (auch österreichische) dirigierte, sondern auch Benko Verbindungen nach Russland hat. Heutzutage ist es einfach, kurz gegoogelt und Russisches Geld für Signa war gefunden.
Sind wir in Europa wirklich so naiv? Können wir eins und eins nicht zusammenzählen? Glauben wir wirklich, der Krieg beginnt erst, wenn Bomben fallen?
Die nächsten Tage werde ich mir den Beitrag mit vielen Links zu weiteren Beiträgen der Deutschen Tagesschau „Der Krieg in den Netzen“ zu Gemüte führen.
Heute habe ich nur frei assoziiert und zuletzt musste ich daran denken, dass Robert Mueller als Special Counsel „Russian interference in the 2016 United States elections“ eine weitreichende und systematische („sweeping and systematic“) Einmischung in die Wahlen 2016 belegte, die zur Präsidentschaft von Donald Trump führte.
Doch es gibt sie, die anderen Politiker, die meine ganze Bewunderung ernten. Etwa jene, die alles tun, um die Verschlechterung der Wahlrechte zu verhindern.
John Lewis war so einer. Er hat sein Leben lang darum gekämpft. Ein Gesetz zum Schutz von Wahlen, der John Lewis Voting Rights Act, liegt in der Schublade, denn es hatte nicht die notwendige Mehrheit bekommen. Der Oberste Gerichtshof der USA hat sukzessive die Gesetzgebung aus den 1965 Schritt für Schritt aufgehoben. 1965 war John Lewis auf der Straße und kämpfte dafür, über 50 Jahre später, kurz vor seinem Tod, hat er dieses Gesetz im Congress eingebracht.
Solche Helden gab es auch in Österreich, aber es ist schon lange her. Nicht weil es keine mutigen Politiker gibt, sondern weil wir, trotz vieler Schwächen, eine Demokratie sind, die heute nicht mit Leben und Tod erkämpft oder verteidigt werden muss.
Sind wir wirklich so naiv zu glauben, dass sie nie wieder verloren geht? Die USA lehrt anderes. Sie sind nicht durch den Faschismus gegangen wie wir in Europa. Dennoch ist die Demokratie dort in Gefahr.
In den vergangenen Jahren habe ich oft den Vergleich zu Nazi-Deutschland gehört. Es wurden Bücher geschrieben, die den Einfluss Deutschlands auf amerikanische Politiker in den 1930er aufzeigen, die beschreiben, wie deutsche Agenten die USA unterwanderten.
Autoritäre Tendenzen gab und gibt es überall. Wir dürfen das nicht vergessen. Was ich hier schreibe, könnte ich ohne Gefahr nicht mehr schreiben. Freie Meinungsäußerung wird in Diktaturen nicht geduldet.
John Lewis wurde mehrfach schwer verletzt, als er um Bürgerrechte an der Seite von Martin Luther King kämpfte. Wir vergessen, dass Menschen starben und sterben, weil sie für Demokratie kämpften und auch heute noch kämpfen. Der jüngste und bekannteste Fall war der Tod von Alexei Nawalny.
Wer noch nachschauen möchte: Selma (kann via Streaming angeschaut werden) und Good Trouble (ich habe beim Filmverleih mehrfach nachgefragt, dass ich ihn in Europa streamen möchte, vielleicht wird es mal was).
Recht kann spannend sein. Als ich mir den Gesetzestext zur Abtreibung, raussuchte, staunte ich. Denn im Paragraph über dem §97, dem zur Fristenlösung, kann jeder nachlesen, dass die Abtreibung selbst verboten ist.
Es ist Zeit, wieder und immer wieder darüber zu sprechen, so wie vor 50 Jahren im österreichischen Parlament. Der Kompromisslösung Abtreibung straffrei zu stellen, trat nach einigen Hindernissen am 1.1.1975 in Kraft.
Straffrei bedeutet aber, es gibt etwas, das unter Strafe steht. Und das findet sich einen Paragraph oberhalb.
§ 96. StGB
(1) Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen, begeht er die Tat gewerbsmäßig, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, begeht er die Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(3)Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zuläßt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
Abtreibung ist kein Thema über das Frauen einfach sprechen. Auch die Annahme, dass sie leichtfertig durchgeführt wird, bezweifle ich, das gilt mit Sicherheit für die meisten Fälle. So etwas macht niemand so nebenbei.
Allen, die meinen, dass ein Verbot Abtreibungen verhindert, widerspreche ich. Das einzige, was das Verbot mit Sicherheit mit sich bringt, ist eine Gefährdung der Frauen. Das alleine ist für mich Grund genug, mich dafür einzusetzen.
Der große Vorteil, alt geworden zu sein, ist, dass ich mein eigener Zeitzeuge geworden bin. Denn oft wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde – meist im Stillen.
Das erste Mal erzählte mir eine andere Frau, ein Teenager, eigentlich ein Kind, mit 12 oder 13 Jahren, eine Mitschülerin, entweder vor oder knapp nach der Legalisierung von ihrer Abtreibung. Das hat mich mehr beeinflusst, als mir damals bewusst war. Ich war zu jedem Unsinn bereit, aber ich wollte mit keinem Mann schlafen, mit dem ich nicht bereit war, auch ein Kind zu haben. Trotz meines schlechten Rufs, war ich 21, als ich zum ersten Mal mit einem schlief. Derjenige wusste nichts davon, ich erzählte es ihm nie. Warum ich kein Jungfernhäutchen mehr hatte, ist ein anderes Thema. So wie ich mich damals entschied, keine Abtreibung durchführen zu wollen, wann immer ich schwanger werden könnte. Auch davon erzählte ich niemandem. Heute spreche ich zum ersten Mal davon.
In der Zwischenzeit lernte ich von vielen Frauen, die vor 1975, vor der Fristenlösung, abtrieben.
Meine Mutter war eine davon, und ich wage zu behaupten, sie wurde von meinem Vater unter Druck gesetzt. Und sie hat ihm nie verziehen. Manchmal spürt man Ungereimtheiten und hat keine Ahnung, was nicht stimmt. Das ist der Kern von Familiengeheimnissen, unbewusst weiß man, es stimmt was nicht. Es war die Zeit um die Alzheimer-Diagnose meiner Mutter, als ich mehr zu meiner Kindheit wissen wollte, sehr unschuldig, nicht ahnend, was ich auslöste. Ich fragte, ob ich öfters bei meiner Großmutter schlief, denn in meiner Erinnerung war es nur eine unheimliche Nacht. Sie antwortete, nur einmal, als sie mit meinem Vater und ihrem Schwager nach Wien zur Abtreibung fuhr. Weiters sagte sie, wie furchtbar es war, wie hocherfreut ich auf sie zurannte. Wie konnte ich mich freuen, wenn es ihr so schlecht ging? Dass ich etwa 7 oder 8 Jahre alt war, spielte in ihrer Erinnerung keine Rolle. Ich verstand aber einiges nach 35 Jahren. (Dass mein Vater mich zu beschimpfen begann, dass ich mit diesen Fragen bei meiner Mutter viel Schmerz auslöste, wunderte mich nicht. Ich hatte endlich Antworten und blieb meiner Rolle als schwarzes Schaf der Familie treu.)
Es kam noch schlimmer, als ich ein anderes Mal fragte, ob Mutters Krebs ein gut- oder bösartig war, nachdem ich jeder und jedem Frauenarzt seit Jahrzehnten sagte, dass meine Mutter Gebärmutterkrebs hatte. Weder meine Mutter noch mein Vater konnten sich erinnern. Sie blickten nur verlegen von mir weg. Nur, dass sie so blutete, dass mein Vater fürchtete, dass sie sterben würde, erzählte er. Das war 1969. Ich habe keine Erinnerung, wie ich die Tage alleine mit meinem Vater verbrachte. Dieses Faktum wusste ich, wie ein Fakt aus dem Geschichtsbuch, ohne emotionale Verbindung. Ich war 7 Jahre alt.
Solch seltsame Bilder habe ich einige, Schnappschüsse, die ich nicht miteinander in Verbindung brachte.
Erst als ich darüber nachdachte, die Puzzleteile, die ich zu unterschiedlichen Zeiten sammelte, zusammenfügte, wurde mir klar, dass es kein Krebs war, sondern Ergebnis dieser Abtreibung, bei der sie letztendlich unfruchtbar wurde.
Das sind Ergebnisse, wenn Abtreibungen illegal sind.
Es ist Zeit, Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Ps.
1. Meine Mutter war nicht die einzige Mutter, von der ich weiß, dass sie abgetrieben hat, als es illegal war. Und warum mein Onkel wusste, wo man abtreiben kann, sagt wohl genug. 2. Das Problem haben nicht nur wir in Österreich
In Österreich sind es meistens Journalisten, die von Gerichtsprozessen berichten. Wie schon oft, gilt mein Leid dem Fakt, dass durch die Größe unseres Landes und leider auch gewachsenen Strukturen die Medienlandschaft nicht riesig ist.
Um die richtigen Fragen zu stellen, muss ich einfach mehr wissen. Das ist der Unterschied zu meinen alltäglichen Fragen, wo ich wissen will, welches Blümchen am Wegrand wächst, und jenen, wo ich Strukturen und Zusammenhänge verstehen will.
Es wird wissenschaftlich schon einen Begriff geben, den kenne ich nicht, aber ich versuche, in dem ich die Berichterstattung eines anderen Landes beobachte und wie dort Fragen gestellt werden, zu schauen, wie es auf Österreich übertragen werden kann.
Ich habe gelernt, mir Gesetze anzuschauen, auch wie sie zustande kommen, wie bei uns die Gewaltenteilung funktioniert. Ich wünsche mir, eine Form von Vorlesung um mir wieder mal die österreichische Verfassung erklären zu lassen. Es tut mir leid, wenn wir schon nicht so viele Medien haben, hätte ich gerne zumindest die Möglichkeit bei Universitäten reinzuhören.
Warum? Ich habe einfach nicht das Sitzfleisch oder die Fähigkeit, Bücher über Recht so zu lesen, dass sie lebendig werden. Ich liebe es, dass mir fähige Juristen Recht so erklären, dass auch ich es verstehen.
Dazu benutze ich die USA.
Da sind Moderator*innen wie Ari Melber, der herrliche schlechte Witze erzählen kann, aber mir unendlich viel über Recht beibringt, er stellt die richtigen Fragen, er lädt andere Juristen ein, mit denen er Fachfragen diskutiert. Dann gibt es die Experten, die eingeladen werden. Das sind frühere oder jetzige Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen, Universitätsprofessor*innen. Da ist ein Jurist, der am Muller-Report, an der Untersuchung zur „Sonderermittlung zur Beeinflussung des Wahlkampfs in den Vereinigten Staaten 2016“ mitarbeitete. Andrew Weissmann ist der Sohn eines jüdischen Emigranten, der als Achtjähriger aus Wien mit seinen Eltern nach New York floh. Er ist heute Professor an der NYU und erklärt wunderbar, Pro und Cons.
Dann die 4 Juristinnen im Podcast SistersInLaw. Joyce Vance, Jill Wine-Banks, Barb McQuade and Kimberly Atkins Stohr diskutieren einmal pro Woche die interessantesten legalen Fälle. Jill Wine-Banks war einst bei den Untersuchungen eine von 3 Juristen zu Watergate zur Behinderung der Justiz von Richard Nixon.
Das ist nur eine Auswahl von Jurist*innen, die mir Recht näher bringen. Ich werde kein Experte werden, das ist auch nicht mein Ziel, aber verstehen werde ich mehr. Und das ist genau, was ich mir wünsche.
Es gibt zwei Themenschwerpunkte, bei denen ich schwach bin, aber sehr interessiert. Volkswirtschaft ist der eine, Jus, Recht, der andere. Ich hatte gute und weniger gute Lehrer, doch den wenigen, die Recht spannend machten, bin ich sehr dankbar. Das konnten die vielen nicht so guten nicht zerstören.
In meiner kindlichen Naivität dachte ich nach der Matura, Jus würde bedeuten Gesetze auswendig zu lernen. Nichts von Interpretation, von Strukturen des Rechtssystems und möglichem Missbrauch desselben kam mir damals in den Sinn.
Heute, Jahrzehnte später, habe ich mit Richtern und Rechtsanwälten nur bei meiner Scheidung zu tun gehabt. Ich habe mich gut mit dem Richter unterhalten und war seltsam berührt, dass ich mehr von einer aus Innsbruck stammenden Rechtsanwältin geschieden wurde, als von meinem Mann, der, aus welchen Gründen auch immer, es nicht wert befand, selbst zu erscheinen. Feigheit? Angst, sich der Realität zu stellen? Egal, mir wurde es bewusst, als ich Wochen vorher die Scheidung einreichte, da saß ich alleine im Gang des Gerichts und mir wurde klar, es ist vorbei. Damals war ich traurig, bei der eigentlichen Scheidung habe ich mich mit dem Richter gut unterhalten. Der Ablauf war problemlos und der Richter bleibt mir in guter Erinnerung.
Andere Erfahrungen sind weiter hergeholt, denn sie haben mich nicht persönlich betroffen, nur Menschen, die ich kenne. Einmal ein Mann, der unter der Woche Straßen asphaltierte, am Wochenende pfuschte, um ja Geld heimzubringen. Seine Frau stattdessen bestellte und bestellte aus Katalogen und dem Internet und bezahlte nicht. Der zuständige Richter fand, er hätte es wissen müssen. Neben dem Privatkonkurs mussten beide ins Gefängnis. Ihn besuchte ich, kaufte Weihnachtsgeschenke für seine Kinder und verstand die Welt nicht recht. Würde eine Frau eingesperrt werden, weil ihr Mann einem Kaufrausch oder Spielrausch unterlag? Sie müsste dass doch auch wissen, so wie mein Bekannter.
Oder bei einer Nachbarin, die den Lügen einer anderen Nachbarin, die spielsüchtig ist/war, aufsaß. Es wusste niemand, und sie suchte durchaus Menschen, die sie bemitleiden würde. Mir z.B. erzählte sie von ihren schweren Depressionen. Sie lotete aus, wer ihr glauben würde. Beim Prozess war es wohl so, dass das Opfer selber schuld zugeschrieben und der Betrügerin großes Verständnis entgegengebracht wurde. Diese wanderte ins Gefängnis und erhielt psychologische Beratung (nachdem sie zum wiederholten Male aus dem gleichen Grunde verurteilt wurde und an Therapien erfolglos teilnahm). Das Opfer hingegen war selbst schuld, das Geld wurde nicht zurückbezahlt, weil auch dies eine falsche Geschichte war, die dem Gericht präsentiert wurde, sie schlitterte letzendes in ein Burnout und litt an schweren körperlichen Beschwerden.
Das waren meine persönlichsten Kontakte mit dem Rechtssystem. Empfand ich, dass hier wirklich Recht gesprochen wurde? Wurden die richtigen bestraft? Ein bitterer Geschmack breitet sich aus.
Und ich musste an Julian Hessenthaler denken. Ob er ein guter Mensch ist, weiß ich nicht. Da Herstellung oder Verbreitung des Ibiza-Videos nach spanischem Recht nicht gesetzeswidrig ist, wurde ihm Kokainhandel unterstellt. Den Ablauf des Prozesses empfinde ich als äußerst fragwürdig, da wurde jemand bestraft, von dem ich nicht überzeugt bin, dieses Verbrechen (nämlich Drogenhandel) begangen zu haben. Eine seltsame Form von Rache und Zurechtweisung kommt mir da eher in den Sinn. Zum Nachlesen.
Ich schäme mich stellvertretend für alle, die im österreichischen Rechtssystem arbeiten. Staatsanwälte, die Razzien beantragen, die später als verfassungswidrig verurteilt werden und kein schlechtes Gewissen haben, es im Gegenteil immer noch als rechtens empfinden. Ich schäme mich. Richter, die sich widersprechende drogensüchtige Zeugen als glaubwürdig bezeichnen, weil deren Widersprüche nur zeigen, dass sie sich nicht abgesprochen haben, erhöhen nicht mein Vertrauen. Also, wenn jemand eine Aussage bestätigt, ist er weniger glaubwürdig? Was für ein Rechtsverständnis hat dieser Richter?
Ich gestehe, bevor Donald Trump in seinem Mar-a-Lago Ressort Kisten von klassifizierten Dokumenten illegalerweise aufbewahrte, war mir die Tragweite von Unterlagen der Geheimdienste nicht wirklich klar. In den USA werden regelmäßig Menschen verurteilt, die mit diesen Dokumenten nicht sorgsam umgehen. In Österreich lässt die Staatsanwältin Polizisten einer Spezialeinheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität solche Dokumente (und Computer) beschlagnahmen, egal ob jene die notwendigen Sicherheitsfreigaben haben oder nicht.
Ich schäme mich und ich finde, in unserem Justizsystem gehört anständig aufgeräumt. Es ist eine Schande.
Endlich habe ich einmal die Möglichkeit in Österreich Medien zu vergleichen, denn das Hauptthema der vergangenen Tage ist Österreichs Spionageaffäre. Ich höre mich durch mir bekannte und unbekannte Podcasts und lerne.
“Das sieht man zum Beispiel bei der BVT-Razzia. Ich glaube, da hat zum Beispiel die WKStA nicht ganz den Überblick gehabt, was sie mit so einer Razzia international und national auslösen kann.”
Plötzlich fällt dieser kleine Nebensatz und ich denke mir, stimmt das so? Ich selbst habe meine eigenen Gedanken und auch Vorbehalte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, aber der Skandal dieser Razzia ist nicht alleine auf deren Mist gewachsen. Der Eindruck jedoch durch diesen nur beiläufig genannten Satz ist, dass diese Einheit selbst entweder korrupt oder schlicht unfähig ist.
Das stört mich und ich beginne zu graben. Denn ich habe das ein wenig anders in Erinnerung. Ich gestehe, ich bin kein Fan von zu vielen Details, ich will einen groben Überblick gewinnen und der war, als dieses Drama begann, nicht möglich. Zu vieles war unbekannt und wurde erst über die Jahre klarer und sichtbarer. Wenn ich mich jetzt auf dieses Spiel einlasse, lese ich da und dort und dann nochmal und wieder, und die Dämmerung der Erkenntnis beginnt. Jetzt habe ich endlich die Möglichkeit ein Bild zu sehen. Anscheinend ist die Geschichte noch immer nicht fertig, denn mein Wunsch, ein Buch darüber zu lesen, verhallt bislang ungehört im Universum. Noch ist es nicht geschrieben.
So beginnt meine kleine Recherche.
Der Satz klingt, als ob die unabhängige Staatsanwaltschaft plötzlich aus dem Nichts heraus eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchführte.
Oberflächlich gesehen ist es eine einfache, genauer betrachtet eine verdammt komplizierte Geschichte.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte eine Hausdurchsuchung nicht nur im BVT, sondern auch bei einem Spitzenbeamten des BVT angeordnet. Ein Journalrichter hatte sie in den Abendstunden abgesegnet, offenbar ohne sich näher mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, wie er später zugab, schreibt Anna Thalhammer im Profil.
Das alleine bringt mich zum Kochen. Ein Richter muss so etwas abzeichnen, damit es nicht zu einer Überschreitung von Grenzen kommt und unser Rechtssystem nicht gebeugt oder gar gebrochen wird. Er oder sie darf nicht einfach ein Hakerl drunter machen und denken, es wird schon stimmen. Dann brauchen wir keine Richter, wenn er oder sie das Hirn nicht einschaltet und seiner/ihrer Aufgabe nicht nachkommt.
Anna Thalhammer, jetzige Chefredakteurin des Profils, einst selbst im Visier der WKStA schreibt in einem für mich unglaublich neutralem Ton eine fantastische Geschichte. Sie stellt wesentliche Fragen.
„Wie konnte es sein, dass die Polizisten einfach Operationsdaten anderer Länder einsehen dürfen? Wie war es überhaupt so weit gekommen? Und ich fühlte: Das ist eine politische Intrige, nur wer steckt dahinter?“
Ex-Spionageabwehrchef Bernhard P. Seine Gedanken am Abend nach der Razzia
„Ist es Zufall, dass man ausgerechnet auf P. losging, der im BVT für Russlandspionage zuständig war? Ist es Zufall, dass in den sichergestellten Daten nach Verbindungen der FPÖ, Russland und Ukraine gesucht wurde, wie aus dem Akt hervorgeht? Wollte die damals neue, politische Führung im Innenministerium vielleicht einfach nur zu gern wissen, was der Staatsschutz weiß? Weder P. noch sein Anwalt glauben noch an Zufälle. Dafür haben sie in den vergangenen Jahren zu viel gesehen.“
Viele Fragen und noch immer gibt es nicht alle Antworten. Erst nach unzähligen Berichten beginne ich nun langsam den Rahmen zu sehen. Es fügt sich. Und es fügt sich leider so, dass ich wieder bei einem meiner Lieblingsthemen lande: der Gewaltenteilung.
Es war jene Zeit, als die ÖVP kein Problem hatte, der FPÖ, genauer Herbert Kickl, das Innenministerium zu überlassen, das von 2000 bis 2017 von ihnen gestellt wurde, jene ÖVP, die die WKStA als eine Staatsanwaltschaft in roten Händen bezeichnet, weil sie Korruption in alle Richtungen untersucht (und nicht nur in Richtung ihrer Feinde). Der parteiunabhängige Justizminister in der Regierung Kurz (2017-2019) hingegen macht den Anschein, nicht die geringste Ahnung von Politintrigen gehabt zu haben.
Am Ende saßen sogar Ermittler des Innenministeriums bei der WKStA, schrieben auf Briefpapier der Justiz und benutzten ihre Mailadressen.
Die Gewaltenteilung eines demokratischen, liberalen Rechtsstaats war dadurch bis zu einem gewissen Grad schlicht abgeschafft – und niemand interessierte sich dafür.
Gewaltenteilung dient nicht hauptsächlich der Verteilung von Macht sondern viel mehr der gegenseitigen Kontrolle. Das erst macht die Stärke einer Demokratie aus. Wird die Justiz erstmal ausgehebelt, funktioniert ein demokratisches System nicht mehr richtig. Auch unter dem Nationalsozialismus gab es Gerichte, aber unabhängige Richter nicht mehr.
Nach dem Rücktritt der Türkis-Blauen Regierung drehten die Übergangsminister Clemens Jabloner (Justiz) und Wolfgang Peschorn (Innenministerium) die selbsterrichtete Justizpolizei ab, schreibt Thalhammer weiter.
Im ihrem Artikel sind fast alle meine Bedenken zur WKStA genannt. Es ist wie ein Fluch, denn die Notwendigkeit einer solchen Staatsanwaltschaft ist für mich keine Frage, aber die in meinen Augen leider zu oft dilettantischen Anklagen schaden dem wichtigen Auftrag.
Ich habe die zwei Anklageschriften Jack Smith gelesen, in denen Donald Trump auf bundesstaatlicher Ebene angeklagt wird. Die sind verständlich klar und faktenbasiert, sie werden auch sprechende Anklageschriften genannt (das wird nicht in allen Anklagebehörden der USA so gehandhabt). Sie sind so geschrieben, dass selbst ein juristischer Trottel wie ich sie verstehen kann.
Bei den Anklagen der WKStA hatte ich immer wieder den Eindruck, als ob guter altwienerischer Basena-Tratsch Eingang in die Anklageschriften findet. Schon vor dem Prozess fragte ich mich immer wieder, kommt da noch mehr? Bei den wenigen, die ich beobachtete, kam nicht mehr. Was letztendlich zu Freisprüchen führte.
Nur zum Vergleich: in den USA werden vergleichbare Prozesse zu 95% gewonnen, denn die Bundesstaatsanwaltschaft wägt nicht nur selbst ab, ob ein Prozess gewonnen werden kann, eine Grand Jury stimmt ab, bevor es zu einer tatsächlichen Anklage kommt. Dieser werden die Fakten der Staatsanwaltschaft präsentiert, erst wenn die Grand Jury bestätigt, dass genügend Verdachtsmomente bestehen, kommt es zur Anklage.
„Currently federal prosecutors tout above a 95% conviction rate. This is primarily due to the fact that most cases never make it to trial. Most defendants end up taking a plea bargain rather then risk a potentially much greater prison sentence which could be dealt them if they actual went to trial and lost.“
in 165 Fällen weitere Ermittlungsansätze zu anhängigen Ermittlungs- bzw. Hauptverfahren
bisher in mehr als 146 Anklagen:
93 Verurteilungen
35 Diversionen
36 Freisprüche
Statistisch können diese Zahlen nicht weiter verwendet werden, denn 93+35+36 ergibt 164 nicht 165. Ich habe schlicht keine Ahnung, was die Zahlen aussagen sollen. Und leider sind die wenigen Medienberichte nicht aussagekräftiger sondern gut abgeschrieben.
Außerdem, wer weiß schon, was Diversionen sind. Und ich lerne wieder einmal. „Die Diversion ist die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, bei hinreichend geklärtem Sachverhalt auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens zu verzichten. Der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bekommt im Fall der Diversion das Angebot, sich einer belastenden Maßnahme zu unterwerfen (z.B. gemeinnützige Arbeit). Wenn ein Strafverfahren mittels Diversion beendet wird, erfolgt kein Schuldspruch und keine formelle Verurteilung. Es erfolgt auch keine Eintragung im Strafregister.“ Das ist ungefähr das, was als „Plea Bargain“ in den USA bezeichnet wird, aber ohne Eintragung ins Strafregister. So war es bei der Falschaussage von Bettina Glatz-Kremsner.
Was habe ich gelernt? Man kann der WKStA alles mögliche vorwerfen, doch waren im Falle der BVT-Razzia gewaltig politische Interessen und Manipulationen mit im Spiel. Die Vermutung vieler Journalist*innen, dass die FPÖ herausfinden wollte, was der Staatsschutz über ihre Verbindungen zu Russland weiß, erscheint mir naheliegend.
Und es tut mir leid zu sagen, dass dieser leichtfertig hingeworfene Satz eines Journalisten ist für mich untergriffig und manipulativ. Ich merke, wie sensibel ich geworden bin. Ich versuche, so wenig wie möglich und so gut ich kann, meinen und anderen Vorurteilen auf die Schliche zu kommen.
Das waren wieder mal viel Worte für eine schlichte Erkenntnis. Aber eines hat es gebracht: Dank Anna Thalhammer habe ich eine weitere Wochenzeitung abonniert.
Ich finde es immer wieder wert, über meine eigenen Glaubenssätze nachzudenken. Zweifel könnte mein dritter Vorname sein. Meine Eltern trieb ich damit zur Verzweiflung, denn meine Fragen interpretierten sie als meine Meinung. Das Ausmaß an Irritation, das mein Nachfragen auslöste, war mir damals nicht bewusst. Für mich waren Fragen unschuldig, aber auch meine Vorgesetzten betrachteten sie als Angriffe.
Zweifel war immer meine größte Schwäche. Aber auch meine größte Stärke. Ich mag meinen Zweifel.
Meine Mutter meinte: „Sei doch ein wenig diplomatischer.“ Wie sehr habe ich versagt. Nur, schlecht fühle ich mich deswegen auch heute noch nicht. Es war ja nicht einmal eine definierte Kritik, nur eine Einladung, nachzudenken, zu reflektieren. Ich tue es ständig, mein ganzes Leben lang. Warum tat ich etwas, warum habe ich mich so entschieden, was führte zu diesem Schritt, war es gerechtfertigt?
Die eine Entscheidung, mit jemandem zusammen zu sein, der reflektierte und über die ganze Welt urteilte und nachdachte, aber nie zusammen mit mir über uns, oder überlegte, wo ich oder wir vielleicht falsch lagen, war mein größter Fehler. Ich habe nicht vergessen, als ich auf seinen Ratschlag hörte, dass ich aufhören solle, über meine Eltern nachzudenken. Ich sprach danach nicht mehr über meine Tränen, über meine Gefühle, die diese hervorriefen. Ich stieg weinend in den Zug und als ich in Wien ankam, hatte ich alles vergessen. Verdrängen nennt man das.
Vielleicht war es nicht das einzige Mal, wo ich auf eine Reflexion verzichtete, aber jene mit der größten Auswirkung. Ich wollte diplomatischer sein.
Aber auch meine Illusion, dass alle Menschen erwachsen genug wären, sich Herausforderungen zu stellen, war ein großer Fehler. Die wenigsten waren es.
Meine Fragen waren nie ein Angriff, stattdessen immer ein Versuch, die Welt (und sei es nur meine eigene) besser zu verstehen, vielleicht sogar besser zu machen. Einen Versuch ist es immer wert.
Ich hätte von Anfang an, allen aus dem Weg gehen sollen, die einem Gespräch auswichen. Und ich verzeihe mir, dass ich nach jahrelangen Versuchen aufgab und die Illusion gab, dass ich jeden Streit vermied: „Mit dir kann man nicht einmal streiten.“ Die Entscheidung, wie ich auf jene Menschen reagierte, war falsch.
Beim Hören der Podcasts zu Egisto Ott kamen viele Erinnerungen hoch. Meine kleine Berührungspunkte zur großen Welt der Spionage.
Immer wieder muss ich an ein Kasperltheater denken, wenn es zu einem Skandal in Österreich kommt. Vielleicht, weil ich zeitweise am Rand dabei war?
Mein damaliger Partner, ein Journalist, und ich hatten eine Beziehungspause. Eines Tages rief er mich an. Er war auf einer Pressekonferenz der Polizei und hörte dort, dass auch er auf der Liste der gefährdeten Personen stand, eine Briefbombe geschickt zu bekommen. Nur wohnte er nicht mehr an der angegebenen Adresse, da wohnte nur mehr ich. Eine Woche später rief dann die Polizei an, um mir das mitzuteilen. Ich antwortete nur, dass ich mir schon durchgelesen habe, auf was ich zu achten habe, wenn ein verdächtiges Paket im Briefkasten lag. Eine Woche später teilten sie mir das mit.
Nach einem halben Jahr klebte ein gelber Zettel am Postkasten, der auf der Straße jedem zugänglich war. Wir lebten inzwischen wieder zusammen. Die Botschaft war die gleiche, das förderte nicht mein Vertrauen in eine ernsthafte Polizeiarbeit.
Ebenso habe ich nicht vergessen, wie mein Partner und sein Kollege nach einer Recherche mich im Gasthaus trafen und feststellen mussten, dass sie im Laufe des Tages ihre Unterlagen über die Briefbomben bei einem Kaffee irgendwo am Land vergessen hatten.
Oder als mir mit glühenden Wangen erzählt wurde, dass mit einem Waffenhändler telefoniert wurde, der bereit war eine Rakete zu liefern. Ich weiß nicht mehr, was sie genau bestellen wollten, irgendetwas Riesiges war es, das in den 1. Wiener Gemeindebezirk geliefert werden sollte.
Das ist jetzt gute 30 Jahre her, meine Verschwiegenheit hebe ich nun hochoffiziell auf. Ich fand es damals lächerlich, doch aus Loyalität habe ich jahrzehntelang niemandem von diesen Dingen erzählt. Es hatte mehr von Lausbubenstreichen als von investigativem Journalismus. Umso mehr schätze ich heute gut und intensiv recherchierte Geschichten. Krawallgeschichten brauche ich nicht.
Jetzt im Nachhinein begreife ich erst, in welche Machenschaften ich ungefragt hineingezogen wurde. Was wäre gewesen, wenn eine Briefbombe in meinem Briefkasten gelegen hätte? Was wäre gewesen, wenn Waffendealer das gar nicht witzig gefunden hätten? Ich wurde nicht gefragt. Und egal, wie lange es nun schon her ist, heute erlaube ich mir zu sagen, was für eine Frechheit dies war. Das vergaß ich damals zu sagen.
Es ist vorbei für mich mit den mir fertig gekochten Sendungen. In einer Reihenfolge serviert, die mir in Wahrheit nie behagte, sondern hervorragend als Schlafmittel diente, weil mich gerade mal etwas nicht interessierte.
Ich wähle mir aus, was ich höre, sehe und zwar nicht in verzweifelter Suche doch einen Sender zu finden, der vielleicht etwas spielt, was ich spannend finde und in endloser Herumzipperei endete. Irgendwann ließ ich es sein. Streamen nennt man es bei Videos. Mag sein, dass andere Tanzvideos oder Musik suchen, ich schau mich um nach Politik, Archeogenetik und anderen Dingen, die ich spannend finde.
Ich höre aber auch leidenschaftlich.
Ich habe viele Podcasts abonniert, manche höre ich regelmäßig, bei anderen wähle ich nach Thema aus. Die Wissenschaftssendung des SRF, des Schweizer Rundfunks, etwa, höre ich immer gerne.
Selten gibt es aber einen Fall, bei dem ich vergleichen kann, wie die verschiedenen Medien ihre Podcasts gestalten. Egisto Ott, der österreichische „Es ist ja nicht so tragisch“ Spion, in Qualtinger Manier ein typisch österreichisches Schicksal, bietet sich wunderbar an die verschiedenen Sendungen zu vergleichen, denn der konnte von den politischen Nachrichten nicht ignoriert werden.
Vieles klingt wie vom Mittagstisch einer Zeitungsredaktion. Da tratschen zwei, die schon gestern miteinander geredet haben, sie haben ein gewisses Vorwissen und man hört vom Nebentisch aus zu. Die zweite Variante mag ich ebenso wenig, denn bei jenen entsteht bei mir der Eindruck, ein/e Lehrer*in erklärt der kleinen Ruth wie die Welt sich dreht. Früher nannte man das Oberlehrerhaft, wobei es in meiner Schulzeit schon keinen Oberlehrer mehr gab und das ist mehr als 40 Jahre her. Nicht immer ist das Format eines Gesprächs optimal.
Das ist der größte Unterschied von „Inside Austria“ zu den anderen Podcasts. Ersterer liefert immer eine gut geschnittene, äußerst informative Dokumentationen. Manche höre ich immer wieder nach, wenn die Details zu kompliziert sind, als dass ich sie mir auf einen Schwung merke.
Vielleicht ist dies der Grundton österreichischer Skandale. Es zieht sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte, und niemand hat mehr eine Ahnung, worum es überhaupt geht. Eurofighter ist ein strahlendes Beispiel. Alles, was ich weiß, ist, dass es um den Eurofighter geht, aber sonst ist da nur ein schwarzes Loch.
Es war unter anderem aber auch Anlass Abos abzuschließen, was ich noch für eine weitere österreichische Tageszeitung (Kurier) und eine Wochenzeitung (Falter) tat. Das kostet mich weniger als der ORF-Beitrag. Ich konsumiere allerdings beim ORF am wenigsten Sendungen. Ja, ich nütze oft günstige Angebote, dafür unterstütze ich mehrere Medien. Ohne die ist Demokratie nicht möglich.
Ich mag es, wenn ich Menschen sprechen sehe und wenn das nicht geht, zumindest höre. Beim Lesen geht mir einfach eine Qualität ab. Besser gesagt, es wird etwas anderes.
Vielleicht erkläre ich es mit etwas ganz Einfachem. Ich liebe Krimis. Kürzlich habe ich einen Südtiroler Autoren und Journalisten entdeckt: Lenz Koppelstätter. Seitdem höre ich seine Krimis. Eines der Bücher wurde von einem Innsbrucker Schauspieler gelesen. Wahrscheinlich wird es für durchschnittliche Hörer zu viel Tirolerisch gewesen sein, ich habe es geliebt. Ich habe so oft lachen müssen, weil ich ganz einfach an das Land, in dem ich aufwuchs, denken musste. Die Sprache löste ein wunderbares Heimatgefühl aus. Dieser Schauer überkommt mich nach wie vor, wenn der deutsche Sprecher der anderen Bücher ein wenig Dialekt einfließen lässt. Das macht Sprache, nicht das geschriebene Wort.
Dann gibt es noch Körpersprache und die Mimik. Kürzlich haben zwei Psycholinguistinnen, Marianne Gullberg und Maria Graziano, von der Universität Lund die Körpersprache italienischer und schwedischer Menschen untersucht und herausgefunden, dass in Schweden nur etwa halb so viele Gesten während eines Gesprächs verwendet werden als in Italien, zumindest bei den jeweiligen Probanden. Wie trivial, doch bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen.
Immer wieder fühle ich mich ertappt, wenn ich Videos oder Podcasts über Politik bevorzuge und ich nicht lieber lese. Lesen sei doch das Wahre. Finde ich nicht. Aber ich freue mich, dass mehr und mehr Transkripts bei den audiovisuellen Medien zugänglich sind. Wenn etwas wichtig ist, kann ich es noch mal lesen. Das ist, was ich mag.
Schwierig allerdings ist für mich zu beschreiben, warum und wie ich etwas dabei fühle. Denn das ist es, was zum geschriebenen Wort hinzugefügt wird.
Wir sind es aber nicht gewöhnt über unsere Gefühle zu sprechen, wenn es um Politik geht, das tun nur Populisten. Blödsinn, wir sind Menschen, wir alle tun es, wir alle haben Gefühle. Und sie beeinflussen uns auf einer weiteren Ebene.
Bei Dokumentationen sind es nicht nur Personen, es ist die Musik, der Schnitt und wahrscheinlich noch viel mehr. GesprächeundInterviews sind weniger geladen, trotzdem kommt mehr mit als bei einem reinen Text. Das mag ich.
Ich kann nur jeden einladen, es an sich selbst auszuprobieren, einmal bei meinem Lieblingspodcast aus Österreich: Inside Austria oder Frontline von PBS (Public Broadcast Service, ein öffentlich geförderter (nicht vollfinanziert) Sender in den USA. Bei letzterem stehen oft auch noch die einzelnen Interviews, die für die Dokumentation aufgenommen wurden, zur Verfügung.
Inzwischen finde ich es sehr angenehm, dass ich viele der Journalist*innen und Politiker*innen mehrfach (oft) gesehen habe, deren Lebensläufe gelesen habe, sie besser einschätzen kann. Ich weiß ungefähr, wo sie stehen, warum sie so und nicht anders berichten oder sprechen.
Dieses Wissen ist in Österreich kaum zugänglich. Leider!
Seit ich mich mit Demokratie und politischer Berichterstattung beschäftige, war eines erstaunlich: ich habe verdammt gute Politiker*innen und Journalist*innen kennengelernt.
Durch unseren von Schlagzeilen geprägten Nachrichtenkonsum hören wir von Skandalen und von Korruption, aber kaum gute Nachrichten. Und wenn mal von guten Nachrichten die Rede ist, wird es künstlich und seltsam aufgesetzt.
Reine Nachrichtensender jedoch sind gezwungen den ganzen Tag mit Nachrichten zu füllen. Also spricht man mit allen möglichen Politiker*innen, den Guten wie den Schlechten. Jetzt kenne ich also viel mehr gute Politiker*innen aus den USA als aus Österreich. Das gilt auch für Journalist*innen, die mich durch ihre qualifizierten Analysen Situationen besser verstehen lassen. Der Grund ist schlicht, ich höre und sehe nicht viel von unseren „normalen“ Politiker*innen. Ich bin jedoch überzeugt, es gibt sie da wie dort.
Schließlich ist das Gegenteil passiert als erwartet. Ich dachte, ich würde müde und satt werden, wenn ich mich mit Politik auseinandersetze. Aber ich habe tolle Menschen kennengelernt, ich habe gelernt, dass sie keine Heiligen sind, sie haben vielleicht mal falsch entschieden, doch nur, weil sie an ihren Zielen gearbeitet haben. Nur wer seine Hände in den Schoß legt, macht keine Fehler. Jene würden aber auch die Welt nicht zum Besseren verändern. Stillstand wäre das Ergebnis.
Stellvertretend für viele, die unsere Welt veränderten, will ich nur 2 nennen: Johanna Dohnal, erste österreichische Frauenministerin, und John Lewis, ein amerikanischer Bürgerrechtskämpfer, der als junger Mann mit Martin Luther King und Jahrzehnte später mit Obama zum Gedenken an jene Zeit marschierte, nachdem er schon oftmals in den Congress gewählt wurde, wo er bis zu seinem Tod diente.
Ich bin langsam, extrem langsam. Ich wiederhole immer wieder und immer wieder, ich habe Fotos von einer und derselben Art von Blume Jahr für Jahr gemacht, um sie in einer App (Flora Incognita) nachzuschlagen.
Ich habe eine App, die mir sagt, dass es der Jupiter ist, den ich am Morgen gesehen habe und nicht die Venus.
Aber es waren nicht nur Blumen und Sterne. Politik war ein Riesenunterfangen für mich. Denn es ist so vielfältig und vielschichtig, dass ich selbst jetzt nach Jahren nicht weiß, wie ich es einfach wiedergeben könnte. Ich habe mich für Miniaspekte in diesem Blog entschieden.
Meistens bin ich sehr glücklich, in einem kleinen Land zu leben. Der Nachteil ist, dass ich nicht auf 100 verschiedene Weisen über ein Ereignis nachhören oder schauen kann. Ja, Hören und Sehen sind meine Favoriten, wenn es ums Lernen geht. Lesen nicht so. Früher war das die einzige Möglichkeit, neben den Vorlesungen auf der Universität. Wie gerne würde ich an Vorlesungen einfach zuhause teilnehmen. Ich will keinen Sitzplatz wegnehmen. Eine Kamera würde reichen.
Was mache ich stattdessen? Ich habe jene Podcasts, die sich mit den großen Skandalen Österreichs befassen, einfach immer wieder angehört. „InsideAustria“ von Standard und Spiegel ist mit der Wertvollste.
Traurig ist, dass ich auf diverse politische Aspekte Österreichs durch andere Länder und deren Medien, die sich mit den dortigen Problemen auseinandersetzen, gebracht wurde. Kleines Land bedeutet leider auch weniger Medien.
Was meine ich?
Als ich wissen wollte, wieviele Gesetze durch Regierung und wieviele durch die Opposition eingebracht wurden, welche in Kraft traten und welche nicht, stand ich vor der Tatsache, dass ich die Statistik wohl selbst machen müsste. Zugänglich ist es.
Warum wollte ich dies wissen?
Gewaltenteilung habe ich großartig in der Schule gelernt. Dass diese in Österreich nicht ganz so getrennt sind, habe ich erst später durch Vergleiche mit anderen Staaten gelernt. Die Art und Weise, wie unsere Demokratie definiert ist, gibt viel der legislativen Kraft in die Hand unserer Exekutive. Das bedeutet unsere Regierung (die Exekutive) macht die meisten Gesetze, bringt sie in den Nationalrat. Was ich wissen wollte, gibt es auch welche, die die Opposition einbringt? Ja, die gibt es, aber ich kann nicht sagen wie viele und ob sie in Kraft getreten sind. Das war mir dann doch zu langweilig (denn es sind sehr viele, die in einer Gesetzesperiode verabschiedet wurden, auch das war neu für mich).
Spannend ist aber auch, wie sehr eine Regierungspartei (quasi Großteil der Exekutive) unsere Judikative angreift.
Was wir dabei übersehen, ist, dass dies auch ein Angriff auf einen demokratischen Grundsatz ist. Das wird klar, wenn ich auf die langsame Umwandlung von demokratischen Ländern in autokratische schaue. Etwa die Justizreform Polens 2015, die eine Disziplinarkammer für Richter brachte und die damit die Unabhängigkeit der Justiz so beeinträchtigte, dass der EuGH Polen verurteilte. Die neue Regierung ist nun dabei diese Aushebung des Rechtssystems Schritt für Schritt wieder rückgängig zu machen. Der Präsident, ein Vertreter der autokratischen Partei, stellt sich dem entgegen so gut er kann.
Demokratisch agieren, ist auch verdammt zäh und langsam.
Politische Parteien, die Gewaltenteilung für gut und recht befinden, aber nur, wenn sie sie nicht betreffen, gefährden die Demokratie.
Die türkise ÖVP greift unser Justizsystem gerne an, wenn Untersuchungen in ihre Richtung gehen. Viele Argumente, die vorgebracht werden, habe ich in den USA bei dem ehemaligen Präsidenten gehört. Es gibt immer wieder Wellen in Österreich, die klingen wie aus anderen Ländern.
Und während wir gerne auf die anderen zeigen, wie entsetzlich deren System sei, bin ich erschüttert, dass demokratiefeindliche Argumentation sich weltweit gleicht.